
Seit der schwäbische Werkzeughersteller SIMTEK auf der AMB 2024 erstmals gelaserte Spangeometrien für Hartmetallwerkzeuge vorgestellt hat, ist die Nachfrage deutlich gestiegen. Viele Kunden ordern inzwischen gelaserte Geometrien für ihre Sonderwerkzeuge. Die Vorteile liegen auf der Hand: optimale Spankontrolle sowie hohe Prozesssicherheit im Spanprozess bei verbesserten Schnittwerten. Häufig lassen sich sogar mehrere Bearbeitungsschritte in eine einzige Geometrie einbringen, so dass ganze Werkzeuge dadurch überflüssig werden. Doch wann lohnt sich der konstruktive Mehraufwand wirklich? Wir sprachen darüber mit Norbert Seifermann, Vorstand der SIMTEK AG.
Herr Seifermann, das Lasern von Spangeometrien hat bei SIMTEK mittlerweile einen festen Platz eingenommen. Was war der Auslöser für diese Entwicklung?
Die klassische Konstruktion basierte bisher auf dem Schleifen – also dem gezielten Abtragen von Material an definierten Stellen. Beim Lasern ist das grundlegend anders: Wir konstruieren ein Negativmodell, das genau beschreibt, was entfernt werden soll. Diese neue Denkweise war für uns ein echter Paradigmenwechsel und hat unsere CAD-Prozesse maßgeblich verändert. Früher reichten zwei Datensätze – heute benötigen wir für vergleichbare Werkzeuge mindestens vier, weil das gelaserte Negativ ein eigenständiger Konstruktionsbestandteil ist.

Was bedeutet das konkret für die Konstrukteure?
Zunächst einmal: erheblicher Mehraufwand – und eine völlig neue Herangehensweise. Gerade zu Beginn war es ein Zusammenspiel aus Erfahrung, Bauchgefühl und intensivem Ausprobieren. Häufig haben wir zwei bis drei Varianten gelasert und parallel getestet, um herauszufinden, welche Geometrie bei einem konkreten Anwendungsfall am besten funktioniert. Inzwischen verfügen wir über einen Erfahrungsschatz, der dem aus dem Schleifprozess in nichts nachsteht.
Gibt es typische Anwendungsbereiche, in denen Lasern besonders sinnvoll ist?
In rund 90?% der Fälle, in denen Kunden Lasergeometrien anfragen, geht es um Spankontrolle. Ziel ist es, das Zerkratzen empfindlicher Oberflächen zu verhindern oder Prozessunterbrechungen durch blockierende Späne auszuschließen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Prozessoptimierung. Ein Beispiel ist ein Werkzeug für die Bearbeitung bleifreier Kupferlegierungen mit 0,15?mm Vorschub. In diesem Fall war es entscheidend, dass sich keine Späne mehr am Werkstück festsetzen. Durch eine umlaufend gelaserte Geometrie konnten wir das sicherstellen – und der Kunde konnte gleichzeitig ein zusätzliches Werkzeug einsparen.
Was macht Lasern im Vergleich zum Schleifen so leistungsfähig?

Wir können damit komplexe Freiformen erzeugen, die beim Schleifen überhaupt nicht realisierbar wären. Und der vielleicht wichtigste Unterschied: Der Spanwinkel bleibt über die gesamte Schneide hinweg konstant – unabhängig davon, ob eingestochen oder abkopiert wird. Das reduziert Vibrationen, verbessert die Oberfläche und macht das Werkzeug insgesamt schnittfreudiger. Ein Beispiel: Der erwähnte Kunde benötigte früher zwei Werkzeuge für zwei Einstiche – heute genügt ein einziges– das spart nicht nur Rüstzeiten, sondern letztlich auch Energie.
Wie gelingt es Ihnen, das Know-how im Team zu verankern?
Durch enge Kommunikation und strukturierte Wissensweitergabe. Wir haben interne Abstimmungen eingeführt, bei denen neue Erkenntnisse wöchentlich geteilt werden. So bauen wir systematisch Know-how auf und machen es im gesamten Team verfügbar. Mittlerweile sind viele Geometrievarianten so gut standardisiert, dass sie nicht mehr bis zu mir durchgereicht werden – ein Zeichen dafür, wie sicher und routiniert unsere Konstrukteure inzwischen mit dem Thema umgehen.
Gibt es auch Grenzen beim Lasern?
Natürlich. Wir lasern nicht auf Teufel komm raus. Wenn eine geschliffene Geometrie beim Kunden einwandfrei funktioniert, keine Probleme mit der Spankontrolle auftreten und der Prozess stabil läuft, sehen wir keinen Grund für einen Wechsel. Wir hatten sogar konkrete Anfragen nach Lasergeometrien, bei denen sich in der Analyse herausgestellt hat, dass eine klassische, runde Spanleitstufe die beste Lösung für den Anwendungsfall war. Weshalb also lasern, wenn das bestehende Konzept optimal funktioniert?
Und wenn doch gelasert wird – worauf kommt es an?

In erster Linien auf Informationen. Wir brauchen Materialdaten, Schnittwerte und Zielgrößen. Leider sind viele Kunden mit diesen Angaben eher zurückhaltend– teils aus Zeitgründen, teils aus reiner Gewohnheit. Oft erreichen uns Anfragen für Sonderwerkzeuge mit zwei, drei Sätzen – und dazu die Erwartung, dass wir daraus die perfekte Lösung entwickeln. Natürlich können wir vieles simulieren. Aber wir können nicht jede Maschine, jedes Kühlmittel und jede Schnittbedingung exakt nachstellen. Ohne belastbare Ausgangsdaten bleibt immer ein Unsicherheitsfaktor.
Noch ein Blick in die Zukunft: Was kommt als Nächstes?
Wir wollen die Technologie konsequent weiterentwickeln – sowohl im Standardbereich als auch mit Blick auf prozessintegrierte Lösungen. Das Ziel bleibt dasselbe: dem Kunden ein Werkzeug an die Hand zu geben, das nicht nur funktioniert, sondern seinen gesamten Prozess verbessert – sei es durch höhere Schnittwerte, reduzierte Nacharbeit oder sicheres Spänehandling. Lasern ist für uns kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, das immer dann zum Einsatz kommt, wenn es sich technisch und wirtschaftlich lohnt.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Seifermann!
Das Interview führte Ralf M. Haassengier, PRX Agentur für Public Relations GmbH
Kontakt:


