Harry Reichstein absolvierte seine Ausbildung zum Werkzeugmacher bei Siemens in Redwitz. Nach Abschluss dieser Ausbildung arbeitete er im Musterbau für Automobilteile, wo damals Klimaanlagen, Heizungen und Bediengeräte hergestellt wurden. Seine beruflichen Erfahrungen kamen ihm zugute, als er sich zunächst nebenberuflich und später im Vollerwerb selbständig machte. Den Grundstock bildeten eine Drehmaschine, eine Fräsmaschine und eine Kopierfräsmaschine mit Pantograph, die er für insgesamt 10.500 DM in einer Konkursversteigerung erwarb.
Durch reine Mundpropaganda erhielt das junge Unternehmen zahlreiche Aufträge, was ihm eine gute Entwicklung und ein solides Wachstum ermöglichte.
Aus der Garage wurde eine kleine Werkstatt und schließlich musste noch die Halle einer ehemaligen Korbmacherei angemietet werden, um an zwei Standorten zu produzieren. 2018 zog HaRei dann in eine neu gebaute Halle mit einer Produktionsfläche von 2.600 Quadratmetern. Inzwischen zählt die Firma ein Dutzend Mitarbeiter.
Breiter Kundenstamm
Zeitweise hat das Unternehmen sehr viele Bauteile für einen Hersteller von Maschinen für den metallischen 3D-Druck aus Lichtenfels produziert. Heute wird ein breiter Kundenstamm aus ganz unterschiedlichen Branchen bedient, darunter der allgemeine Maschinenbau, der Sondermaschinenbau, der Werkzeugbau sowie die Lebensmittel- und Spielwarenindustrie. Auch die Entwicklung neuer Sportgeräte hat HaRei mit Prototypen unterstützt. Dabei ging es um Kufenaufhängungen für Bobs, Skibindungen oder Fahrwerkstechnik für Fahrräder.
Für die Glasindustrie ist HaRei ebenfalls tätig. Dazu gehören die Bearbeitung von Formen und Greifern für das Handling von Flaschen, aber auch Schneidanlagen für Flachglas, das in Digitalkameras, Smartphones und anderen Endprodukten verwendet wird. Ein weiterer Kunde stellt Teleskopmasten für verschiedene Anwendungen her. THW und Feuerwehr bestücken die Masten mit Lampen, um damit Gefahrenstellen auszuleuchten, für militärische Anwendungen sind sie mit Kameras versehen. Entsprechend unterschiedlich ist auch die jeweils verlangte Präzision der Bauteile. Wenn es darauf ankommt, hält HaRei Toleranzen bis 5 µ ein.
Eher wenig ist für die Automobilbranche bestimmt. Im Auftrag eines Zulieferers fräst das Unternehmen aus Redwitz derzeit Einstiegsleisten eines Fahrzeugs für eine militärische Sonderausführung nach. Die Stückzahl von 5.000 Leisten in sechs Ausführungen ist so niedrig, dass es sich für den Zulieferer nicht lohnt, die Variante selber herzustellen. Für HaRei hingegen sind das schon viele Teile. „Wir machen zwar auch mal Serien von 1.000 Stück und mehr, aber typische Losgrößen für uns liegen zwischen 1 und 200 Stück“, erläutert Harry Reichstein. „Bei höheren Stückzahlen sind wir maschinell im Nachteil zu richtigen Serienfertigern.“ Der Maschinenpark, zu dem im Wesentlichen neun Bearbeitungszentren, ein automatisiertes Dreh-Fräszentrum und vier CNC-Drehmaschinen gehören, ist für die Fertigung kleinerer Serien ausgelegt. Bearbeitet werden alle gängigen Materialien von Kunststoff über NE-Metalle bis hin zu Werkzeugstahl.
Gleicher Berater, neue Werkzeuge
Über den technischen Berater Siegfried Bayer kam HaRei vor gut einem Jahr zum Werkzeughersteller INGERSOLL. Der Kontakt zu Bayer besteht bereits seit rund 15 Jahren, zuvor war er für einen Werkzeughändler tätig. Die Beziehung wurde über die Jahre immer enger, wie Reichstein berichtet: “Wenn ich ein Problem habe, rufe ich Siggi an und bekomme von ihm eine Beratung zu den jeweils verlangten Werkstoffen und Bearbeitungen. Das passt einfach.“
Dank Bayers Engagement wurden nach und nach Werkzeuge bei HaRei ausgetauscht und durch leistungsfähigere Modelle von INGERSOLL ersetzt. Den Anfang machten Vollhartmetallfräser, dann folgten Planfräser, Eckfräser, Hochvorschubfräser und verschiedene Wendeschneidplatten. Mit den neuen Werkzeugen ist Reichstein ebenso zufrieden wie mit der damit verbundenen Beratung. Jüngster Neuzugang ist ein Vollhartmetallfräser aus der SplitLine-Serie von INGERSOLL mit HPC-Geometrie und Spanteiler.
Wiederum lag dem Ganzen eine Bitte nach Hilfe aus Redwitz zugrunde. Es ging um ein kleines kubisches Bauteil aus rostfreiem Stahl, für das HaRei aus Kostengründen rundes Stangenmaterial verwendet. Für eine österreichische Firma, die Schweißmaschinen für Dachdecker herstellt, hat HaRei im Laufe der vergangenen acht Jahre schon mehrfach unterschiedliche Stückzahlen dieses Teils gefertigt. Die bisherigen Chargen wurden immer auf einem Dreh-Fräszentrum CLX 450 TC von DMG produziert. Dabei wurde das Eckmaß passend vorgedreht und die Seitenflächen anschließend gefräst.
Fräsen statt drehen
Als eine neue Bestellung über 250 dieser Teile hereinkam, stand das Dreh-fräszentrum nicht zur Verfügung, weil es für andere Werkstücke benötigt wurde. Um den Engpass zu umgehen, entscheid man sich kurzerhand, auf die DMG DMU 50 zu wechseln und die Bauteile ausnahmsweise nicht zu drehen, sondern komplett zu fräsen. Dafür musste das Stangenmaterial zunächst in passende Rohlinge zersägt und dann in zwei Aufspannungen bearbeitet werden. Was in der Theorie nach einer passablen Alternative klang, bereitete in der Praxis Probleme. Mit dem zunächst verwendeten Messerkopf dauerte die Fertigung zu lange, war nicht produktiv.
Mit einer Länge von 3xD bei einem Durchmesser von 20 mm passte der von Bayer ins Spiel gebrachte Fräser genau für das Bauteil. INGERSOLL bietet die beschichteten VHM-Fräser mit der Spanteilernut für höchste Zeitspanvolumina an. Gleich der erste Test verlief erfolgreich. „Mit dem empfohlenen Schnittwerten hat das auf Anhieb super funktioniert und wir konnten richtig Gas geben“, berichtet Harry Reichstein. Begeistert von den jetzt erreichten Bearbeitungszeiten, wollte Zerspanerin Bianca Fischer gleich eine höhere Stückzahl von 10 bis 15 Werkzeugen ordern, um damit den Auftrag abarbeiten zu können. Ihr Chef hielt sie zurück und sollte damit Recht behalten: Für die 250 Teile reichten ein Fräser zum Schruppen und ein zweiter zum Schlichten. Am Ende war an den Werkzeugen kaum Verschleiß erkennbar.
Reichstein geht davon aus, dass noch weitere Folgeaufträge für dieses Bauteil kommen. Sie werden dann nach Möglichkeit wieder auf dem Dreh-Fräszentrum gefertigt, weil die Bearbeitung von der Stange ohne Bediener erfolgen kann. Die Fräsarbeiten sollen aber auch hier mit dem SplitLine Fräser ausgeführt werden.
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