Zerspaner zwischen Zöllen und Zukunftsplänen

Die Drehteile-Industrie blickt auf ein schwieriges Jahr zurück – zwischen Rückgängen und Umbrüchen steht für 2025 die Hoffnung auf Stabilisierung im Vordergrund. In Fulda kamen Hersteller, Maschinenbauer und Werkzeugspezialisten zusammen, um bei der Frühjahrstagung des Drehteile-Verbands über Chancen zu diskutieren.

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Saubere Prozesse ohne Spänestau: Das System VibroCut oscillate erzeugt durch gezielte Oszillation beim Drehen kurz gebrochene Späne. Bild: VibroCut GmbH

Optimistisch und zuversichtlich ist die Stimmung bei den fast 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Frühjahrstagung. Dieses Mal hat der Verband der Deutschen Drehteile-Industrie nach Fulda eingeladen. Dort setzte die starke Gemeinschaft trotz sinkender Aufträge, steigender Kosten und spürbarer Unsicherheit erneut auf Information, Austausch und das Vorantreiben von Ideen. Vorstandsmitglied Kathrin Heinrichs begrüßte die Anwesenden: „Es sind wilde Zeiten mit ganz unterschiedlichen Problemen – angefangen bei Kunden und Lieferanten über Personal bis hin zu Zöllen. Aber deshalb sind wir hier, um voneinander zu lernen und uns Mut zuzusprechen.“ Der steigende Mitgliederzuwachs unterstreicht die Bedeutung des Verbands für die Branche: Seit dem vergangenen Jahr haben sich acht neue Unternehmen angeschlossen.

Vorsichtiger Blick nach vorn

Fast 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich in Fulda zur Frühjahrstagung des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie. Bild:Verband der Deutschen Drehteile-Industrie

Zu Beginn der Veranstaltung berichteten die Mitglieder über ihre aktuelle Situation und nannten zentrale Herausforderungen. Digitalisierung und Datenmanagement stehen dabei weit oben auf der Agenda – viele sehen darin Potenzial für effizientere und stabilere Produktionsprozesse. Die Unternehmen entwickeln zudem neue Strategien gegen den Fachkräftemangel und legen großen Wert darauf, weiterhin eigenen Nachwuchs auszubilden. Um junge Menschen für Lehrstellen zu begeistern, stellt der Verband kurze Videos bereit, die die Berufe praxisnah erklären.

Für 2025 erwarten viele Unternehmen eine leichte Erholung. Auch Verbandsgeschäftsführer Werner Liebmann blickt zuversichtlich nach vorn: „Unsere Mitglieder handeln kreativ und entwickeln eigene Lösungen – das stärkt sie in Krisenzeiten. Wir setzen auf stabile Exporte, verlässliche Auftragsreichweiten und neue Impulse aus Zukunftsfeldern. Dazu gehört auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI).“

CO2-Bilanz und Spanbruch managen

Tobias Hain von der FRED GmbH stellte den aktuellen Stand des CO2-Rechners FRED vor – ein digitales Werkzeug zur CO2-Bilanzierung für mittelständische Unternehmen. Er zeigte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern anhand eines Vierkantbolzens, wie das Tool auf Basis betrieblicher Primärdaten den Product Carbon Footprint ermittelt, inklusive Vormaterial, Bearbeitung und Fertigungsnebenaufwand. FRED liefert nicht nur CO2-Zertifikate, sondern analysiert zusätzlich Hotspots sowie Scope-1-, -2- und -3-Emissionen. Für die Drehteile-Industrie gibt es zum Test bereits ein eigenes Branchenmodul, das sich künftig in das Umweltmanagement und die Nachhaltigkeitsberichterstattung integrieren lässt. „Je früher sie das Tool nutzen, desto schneller können wir das für ihre Bedürfnisse optimieren“, empfiehlt Vorstandsmitglied Thomas Braun.

Der aktuelle Vorstand des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie bei der Tagung in Fulda (v.l.): Stefan W. Schauerte, Thomas Braun, Thilo Karrenberg, Kathrin Heinrichs, Werner Liebmann (Geschäftsführer) und Patrick Weber. Bild: Verband der Deutschen Drehteile-Industrie

Eine innovative Lösung für das Spanbruchproblem beim Drehen präsentierte Dr.-Ing. Oliver Georgi von der VibroCut GmbH aus Chemnitz. Das System VibroCut oscillate überlagert dem Drehprozess eine gezielte Oszillationsbewegung, wodurch Sollbruchstellen im Span entstehen und kurz gebrochene Späne erzeugt werden. Dies erhöht die Prozesssicherheit, verhindert Maschinenstillstände und steigert die Produktivität. Das Verfahren ist unabhängig von Material, Schnittwerten und Werkzeuggeometrien einsetzbar.

Liquidität sichern, Chancen nutzen

Optimismus braucht auch ein finanzielles Fundament – darüber sprachen Hans-Andreas Fein von der Fein Unternehmensberatung in Stuttgart sowie Julius Egen-Gödde, Michael Eisele und Alexander Nagl von der see finance Consulting GmbH aus Filderstadt. Fein erläuterte, wie Zulieferunternehmen in turbulenten Zeiten Verhandlungen gezielt einsetzen können, etwa bei Abweichungen von Abrufmengen. Das Team von see finance stellte praxisorientierte Finanzinstrumente vor – von Kredit- und Kautionsversicherungen über Factoring bis hin zu aktiver Finanzierungsberatung.

Im Vortrag „Förderung von Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung“ stellte Walter Mauch von W Mauch Consulting aus Dunningen verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung mittelständischer Unternehmen bei technischen und organisatorischen Verbesserungen vor. Neben dem ZIM-Programm für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ging es vor allem um das EEW-Förderprogramm, das Investitionen in energie- und ressourceneffiziente Prozesse, Anlagenmodernisierungen und Elektrifizierungsmaßnahmen bezuschusst. Auch Transformationspläne zur langfristigen Dekarbonisierung lassen sich über diese Module mitfinanzieren.

Aktiv in Arbeitskreisen

Der Verband beteiligt sich an mehreren technischen Arbeitskreisen zur Zerspanung bleifreier Stähle. Im Fokus stehen Forschungsprojekte an den Universitäten Dortmund und Hannover sowie eine Zusammenarbeit mit dem Verein für zukunftsorientierte Zerspanung. Ziel ist es, neue Werkstoffe mit optimierten Legierungen zu entwickeln und deren Praxistauglichkeit zu prüfen. Die Firma Heinrichs testete in einem Projekt der TU Dortmund vorlegierte Automatenstähle erfolgreich in der Zerspanung. Nun soll die Forschung gemeinsam mit den Partnern anwendungsnäher fortgesetzt werden.

„Wir freuen uns auf die nächsten Veranstaltungen, den SID Kongress vom 8. bis 13. Juni in Chicago und die Herbsttagung am 9. und 10. Oktober in Freiburg“, resümiert Werner Liebmann und betont, dass der Verband den Mitgliedern jederzeit als zentrale Anlaufstelle für Wissenstransfer, Vernetzung und Zukunftsarbeit zur Verfügung stehe.

Kontakt:

www.drehteileverband.de