Frische Ideen auf der GrindingHub

Die GrindingHub gibt innovativen jungen Unternehmen die Möglichkeit sich zu präsentieren. Der vom VDW initiierte 'Start-up Hub' soll ihnen den Markteinstieg erleichtern.

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Beim audiovisuellen Live-Support erfahren Maschinenbedienende individuelle Unterstützung, indem sie sich über ein mobiles Endgerät ihrer Wahl mit Expertinnen und Experten des Herstellers verbinden. (Bildnachweis: oculavis GmbH)

Zwei Jahre Pandemie, zwei Jahre ohne Messe – Iris Münz, Geschäftsführerin der ultraTec Anlagentechnik Münz ist die Vorfreude auf die GrindingHub in Stuttgart deutlich anzumerken: „Wir hatten im Oktober 2019 gerade unseren Prototypen am Start, dann kam Corona“, erzählt sie. „Jetzt können wir es wirklich kaum erwarten, unsere Ultraschall-Entgratungsanlage einem breiten fachkundigen Publikum vorzuführen.“

Das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Laupheim beteiligt sich am Gemeinschaftsstand Start-up Hub und nutzt damit ein Angebot, mit dem GrindingHub-Veranstalter VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) jungen Unternehmen den Markteinstieg erleichtern möchte.

Gründerszene nach Pandemie-Delle im Aufwind

Gerade für Start-ups haben Messen eine besondere Bedeutung, um neue Kunden zu treffen und eine starke, zuverlässige Marke aufzubauen, stellt der VDW in seiner Messeankündigung fest. Die neue Fachmesse GrindingHub kommt zum richtigen Zeitpunkt.

Die Stimmung in der Szene ist gut, bestätigt auch Marvin Kaes, Leiter des RWTH Innovation Entrepreneurship Centers. Es gebe derzeit viele interessierte Investoren und offensichtlich auch viel Kapital im Markt. Der Deutscher Startup Monitor (DSM) des Startup Verbands, Berlin, zeigt, dass sich das Geschäftsklima für junge Unternehmen nach der Corona-Pandemie deutlich erholt hat und wieder auf Vorkrisenniveau liegt. Allein im vergangenen Jahr wurden für Deutschland 2.013 Start-ups ausgewiesen.

Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Unternehmen, die kurz vor der Pandemie gegründet wurden, auch schwierige Zeiten überbrücken mussten. Statistisch werden rund zwei Drittel aller Neugründungen aus eigener Kraft und eigenfinanziert auf den Weg gebracht. Und wo es keine Referenzumsätze der Vorjahre gab, waren Corona-Hilfen keine Option.

Ultraschall-Entgraten: effizient und ressourcenschonend

Das galt auch für das Unternehmen, das Iris Münz gemeinsam mit Ehemann Dieter 2019 gegründet hat. Und dabei hatte alles so gut begonnen: Die ursprüngliche Idee für die Ultraschall-Entgratungsanlage stammt aus einem Projekt, mit dem sich Münz-Sohn Jonas gemeinsam mit einem Freund erfolgreich bei „Jugend forscht“ bewarb.

Drei Tage bevor der Junior die höchste Auszeichnung, den „Preis des Bundespräsidenten für eine außergewöhnliche Arbeit“ entgegennahm, wurde die Firma ultraTec Anlagentechnik Münz GmbH gegründet. Dieter Münz, Produktionstechniker und Wirtschaftsingenieur, hatte die beiden Jungforscher gecoacht. Es war ihm danach ein besonderes Anliegen, das Verfahren zur Marktreife zu entwickeln und gleichzeitig zu verhindern, dass es „in irgendeiner Schublade verschwindet“. Das neuartige und hoch innovative Ultraschall-Entgratungsverfahren hat sich das Unternehmen durch zwei bereits erteilte Patente geschützt.

Angeregt durch den Ultraschall-Generator, schwingt die Sonotrode im Prozesswasserbecken 20.000-mal in der Sekunde über 0,1 mm vor und zurück, erläutert Iris Münz. Führt man die zu entgratenden Kanten und Bohrungen eines Bauteils in einem definierten Winkel entlang der Sonotrodenspitze, werden die Grate aufgeschwungen und prozesssicher abgetragen.

Das Besondere an dem Verfahren ist, so Münz, dass es nahezu materialunabhängig ist und sich auch sensible Oberflächen, komplexe Geometrien, Mikrobauteile oder scharfe Kanten in dem validierbaren Prozess automatisiert bearbeiten lassen. Die mechanisch-technischen Eigenschaften werden nicht verändert.

Auch unter Umweltaspekten kann das Ultraschall-Verfahren punkten: Es begnügt sich laut Iris Münz mit ressourcenschonenden 5 Prozent des Energieverbrauchs gegenüber dem thermischen Entgraten oder Hochdruckwasserstrahlentgraten. Das Prozesswasser lasse sich problemlos entsorgen, da keine entsorgungspflichtigen Chemikalien beigefügt und die abgelösten Grate ausgefiltert werden.

Rundschleifen auf den Kopf gestellt

Das Thema Ressourceneffizienz steht auch bei der Firma G-Elements GmbH aus Wallisellen, Schweiz, ganz oben auf der Agenda. Gegründet wurde das Unternehmen 2016 von den beiden Maschinenbauern Florian Hänni und Thomas Sigrist, die das Konzept der Rundschleifmaschine einfach mal – im besten Sinne – auf den Kopf stellten.

Nach der Philosophie Pure Grinding wurde eine Rundschleifmaschine von Peripherie-Geräten befreit und an der X-Achse aufgestellt. Mit dem neuen Achskonzept macht sich die Maschine einerseits die Schwerkraft zu Nutze, um hochpräzise und mit Toleranzen von bis zu ± 2 µm zu schleifen. Zum anderen begnügt sie sich mit einer Grundfläche, die gerade mal den Maßen einer Europalette entspricht. Die leichten 440 kg Gewicht lassen sich auf drei Rollen bewegen.

„Wir fahren die Maschine zu den Aufträgen, nicht umgekehrt“, sagt Global Sales Director Helmut Gaisberger. Inbetriebnahme und Umrüsten sollen so wenig Zeit wie möglich in Anspruch nehmen. Kaum eine Stunde benötige man von der Anlieferung bis zum ersten Span, heißt es, zumal die Bedienung „super-einfach“ sei. Die Videoanleitung erleichtert das Vorgehen. Schon aus diesem Grund sei die Maschine ideal für Lehrwerkstätten, Prototypenbau und Null-Serien geeignet oder „einfach für alle“, so Gaisberger, „die vom häufigen Umrüsten genervt sind“.

Die Novität begnügt sich mit einer 230 V Haushaltssteckdose als Stromquelle und verbrauche nicht mehr Energie als eine Kaffeemaschine. Zur Wirtschaftlichkeit der Maschine trage die serienmäßige Ausstattung bei, zu der etwa Körperschalleinrichtung, eine frei verfügbare Software, die frei programmierbare Spindeldrehzahl sowie zwei Messkanäle für Tesa-Taster zählen. Auch der Offline-Programmierplatz ist im Lieferumfang enthalten. Die Steuerung wurde selbst entwickelt. Zudem ist die Maschine auf Automation und Vernetzung vorbereitet.

Aus der Forschung in den Markt

In Deutschland hat nahezu jede zweite Neugründung einen ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund. Laut DSM stammt zudem jede vierte Unternehmensgründung (26 Prozent) aus dem Bereich Forschung/Hochschule. Das spiegelt sich auch auf dem Start-up Hub der GrindingHub wider.

Während die Fraunhofer-Gesellschaften von einem „integralen Bestandteil eigener Verwertungsaktivitäten“ sprechen, sieht das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) hier vor allem den Ursprung besonderer Hoffnungsträger. Von Spin-offs erwartet man schnelles Wachstum, positive Beiträge zum Strukturwandel, starke Impulse beim Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

In dieses Muster passt die Firma oculavis, 2016 aus der Fraunhofer-Gesellschaft und der RWTH Aachen hervorgegangen und ebenfalls auf dem Start-up Hub präsent. Ihre Mission: Abläufe in Kundenservice, Wartung und Instandhaltung zu transformieren. Auf der GrindingHub stellen die Aachener ihre modulare Augmented Reality-Plattform oculavis Share vor, die das Ziel verfolgt, „technisches Wissen an jeden Ort der Welt zu bringen“, wie Marketingleiter Daniel Mirbach betont.

oculavis räumte bislang nicht weniger als 18 Awards ab und gewann den Gründerpreis NRW. Von der Corona-Pandemie dürfte das Unternehmen, das inzwischen knapp 70 Mitarbeiter beschäftigt, erheblich profitiert haben. „Mit unserer Softwareplattform gestalten wir Serviceprozesse an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine neu“, erläutert Mirbach, „indem wir die Verfügbarkeit von technischen Informationen und maschinenrelevantes Expertenwissen mit Augmented Reality beschleunigen.“

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, aber auch nach den Erfahrungen der Pandemie nehmen immer mehr Unternehmen davon Abstand, teure Servicetechnikerinnen und -techniker auf lange Reisen zu Kunden etwa nach Indien oder Australien zu schicken. Es wird zunehmend nach digitalen Lösungen gesucht, um hohe Servicequalität bei gleichzeitig hoher Maschinenverfügbarkeit sicherzustellen.

Auf dem Start-up Hub der GrindingHub widmen sich gleich drei junge Unternehmen dem Themenkomplex digitaler Services. Neben oculavis sind auch die Schweizer Unternehmen Rimon Technologies, ein Spin-off der ETH Zürich, und AtlasVR mit Software für Produktion und Produktionsplanung präsent. Sie bieten zudem Lösungen im Bereich Virtual Reality und Augmented Reality.

Smart Services bringen Start-ups und Schleifer zusammen

Mit der modularen Augmented Reality-Plattform oculavis Share lassen sich diverse Smart Services realisieren, darunter etwa Remote-Abnahmen, Inbetriebnahmen, Trainings und Störungsbeseitigungen. Über Smartphones, Tablets oder auch Datenbrillen sorgt die Plattform dafür, dass Mitarbeitende vor Ort virtuell geführt und angeleitet werden, ob nun eine neue Anlage eingerichtet, die Zugkraft einer Spindel überprüft oder ein defektes Bauteil im Inneren einer Maschine ausgetauscht werden soll.

Für standardisierte Tätigkeiten wie Instandhaltungs-, Wartungs- und Reparaturaufgaben können digitale Workflows mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen genutzt werden. Verschlüsselungstechnologien und Berechtigungsmanagement sorgen für die notwendige Datensicherheit.

Besonders wichtig sei es, so Daniel Mirbach, den Servicefall mit Sreenshots und Videoaufzeichnungen technisch dokumentieren zu können. Die White Label Option lässt zudem ein individuelles Corporate Branding zu. „Der Anlagenhersteller wird zum Anbieter seiner eigenen Remote Service-Plattform“, sagt Mirbach, „was dann auch spannend mit Blick auf neue Geschäftsmodelle im Service ist.“

Ein Beispiel dafür finden Besucherinnen und Besucher der GrindingHub am Stand der Vollmer Werke, Biberach. Der international agierende Maschinen- und Anlagenbauer ermöglicht dort Einblicke in seine neuen digitalen Services wie Visual Support, das als Abo-Modell mit Hilfe des oculavis Systems realisiert wurde.

Auf der GrindingHub als internationaler Treffpunkt für die Schleiftechnik-Branche bietet das Start-up Hub beste Anknüpfungspunkte für Zukunftstechnologien und datengetriebene Prozesse oder Schlüsseltechnologien wie Künstliche Intelligenz, Industrie 4.0 und Internet of Things (IoT). Für die jungen Unternehmen haben die Kommunikationsmöglichkeiten auf der Fachmesse den größten Reiz, wie Daniel Mirbach es ganz deutlich auf den Punkt bringt: „Wir wollen die Schleifer für unsere Ideen gewinnen.“

Kontakt:

www.grindinghub.de