Trend hin zur aktiven Marktbearbeitung

Die Marktspiegel Werkzeugbau eG hat ihren Kennzahlen-Report des Monats Juli 2022 veröffentlicht. Der Report steht unter dem Titel "Vertrieb als natürliche Komponente im Prozess integrieren".

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: Mit dem Ziel, die Betriebe mit Branchenwissen systematisch besser zu machen, präsentiert der Marktspiegel Werkzeugbau monatlich einen Kennzahlen-Report mit nützlichen Vergleichswerten für den Werkzeug-, Modell- und Formenbau. Diesmal aus dem Analysefeld – Marketing und Vertrieb. (Bildnachweis: Marktspiegel Werkzeugbau eG)

Einer der großen Schmerzen in der Werkzeug-, Modell- und Formenbaubranche ist die große Abhängigkeit von einzelnen Branchen und sehr wenigen Kunden. Wer diese brechen und flexibler am Markt auftreten möchte, muss das Thema Vertrieb zwangsläufig in den Fokus rücken und sich dort professionell aufstellen.

Genau hier fängt jetzt die Herausforderung an. Denn blickt man zurück, war Vertrieb in dieser Branche bis vor wenigen Jahren nahezu überflüssig. Die Auftragsbücher waren jahrzehntelang prall gefüllt, ohne sich überhaupt mit Akquise beschäftigen zu müssen. Das Geschäft lief, und zwar größtenteils getrieben von treuen Bestandskunden.

Dynamische Marktlage rückt Vertrieb in den Fokus

Inzwischen zeigt sich die Marktlage dynamisch wie nie. Werkzeug-, Modell- und Formenbaubetriebe leiden nicht zuletzt unter der hohen Fluktuation in den Einkaufsabteilungen ihrer Geschäftspartner. Um einen Auftrag zu bekommen, müssen sie sich immer wieder neu positionieren. Das ist mühsam und für die Branche vor allem eins – ungewohnt.

Hier ist für Benedikt Ruf ein Umdenken gefordert. Er betreute für die ehrenamtlich geführte Benchmark-Initiative Marktspiegel Werkzeugbau bis April 2022 als Gutachter das Analysefeld Marketing und Vertrieb. In seinen Augen ist Vertrieb in der Branche oft deshalb noch nicht etabliert, weil viele Geschäftsführer die Notwendigkeit von kontinuierlicher Marktnähe für die Zukunftssicherung ihrer Unternehmen noch nicht vollumfänglich erkannt haben.

„Wer nur im Unternehmen und nicht nah am Markt ist, wird keinen Vertrieb machen können“, ist sich der Experte sicher. „Unternehmer müssen zeigen, dass sie offen sind für Aufträge. Dazu müssen sie sich darstellen und aktiv für Sichtbarkeit sorgen.“

Gefordert ist der Netzwerkaufbau mit Entscheidungsträgern

Ruf ist Seriengründer und Geschäftsführer der Gebrauchtmaschinen-Plattform GINDUMAC. Was für ihn Vertrieb auszeichnet ist, ein smartes Verständnis darüber, was der Markt gerade braucht, wer entscheidet, in welcher Form entschieden wird und wie dies zur Erreichung von Unternehmenszielen genutzt werden kann.

„Wer keine Verbindungen zu Entscheidungsträgern hat, bekommt in der Regel überhaupt nicht die Möglichkeit, sich für ein Angebot zu bewerben“, erklärt Ruf. Ferner schult Vertrieb, wie das Unternehmen bei einer Angebotsplatzierung kompetitiv sein kann – hinsichtlich Preis, Lieferzeiten, Qualität, Innovationskraft und Technologie.

In der Theorie ist ein professionell aufgestellter Vertrieb also ein bedeutender Treiber für erfolgreich agierende Unternehmen. Wie sieht es derzeit aber in der Praxis aus?

Beim Marktspiegel Werkzeugbau werden jährlich Werkzeug-, Modell- und Formenbaubetriebe aus dem deutschsprachigen Raum anhand einer anonymen Datenerhebung analysiert und nach ihrer Wettbewerbsfähigkeit bewertet. Die Ergebnisse aus der Datenanalyse werden der Branche jedes Jahr wiederum zur Verfügung gestellt.

Aktive Marktbearbeitung steht hoch im Kurs

Die jüngsten Benchmark-Ergebnisse des Marktspiegel Werkzeugbau aus dem Jahr 2021 zeigen einen Trend auf hin zur aktiven Marktbearbeitung durch direkte Kundenansprache. So gaben zum Beispiel schon knapp 70 Prozent der Unternehmen an, Kaltakquise für die Neukundengewinnung einzusetzen. Im Vorjahr waren es erst 45 Prozent.

An Relevanz gewinnt ebenso der Vertrieb via Social Media. LinkedIn ist mit knapp 30 Prozent des Nutzungsanteils im Teilnehmerfeld das führende Berufsnetzwerk für Vertriebsaktivitäten. Xing liegt mit knapp 20 Prozent leicht dahinter.

Vertrieb via Social Media wird oft noch unterschätzt

Unternehmer, die diese Plattformen bislang noch nicht als Vertriebskanal nutzen, verschenken wertvolles Potenzial. Davon ist Ruf überzeugt. „Für die Bestandskundenpflege und Neukundengewinnung ist Social Media eine hervorragende Option, da in der kostenfreien Nutzung schon hohe Reichweiten möglich sind“, äußert sich der Experte. „Je visibler man in den Berufsnetzwerken auftritt, desto mehr potenzielle Auftraggeber können auf einen aufmerksam werden. Das muss einem bewusst sein.“

Unternehmer sollten sich deshalb überlegen, wie das Leistungsportfolio mittels Unternehmensprofil, Posts und Content sichtbar gemacht werden kann. Netzwerken ist für den Vertriebserfolg das A und O. Man darf gern mutig sein und potenzielle Neukunden proaktiv anschreiben oder den Kontakt zu Bestandskunden pflegen. Kommentieren und Liken wird oft unterschätzt, wobei man auch damit an Präsenz in der Zielgruppe gewinnt.

Kein überstürzter Aktionismus

In der Regel ist jede Aktivität, die auf das Neukundengeschäft einzahlt, per se gut. Dennoch sollten Unternehmer sich nicht von planlosem Aktionismus treiben lassen. Wenn durch eine schlechte Marktlage überstürzt in Vertrieb investiert wird, fehlen zumeist die Planungsgrundlage und Zieldefinition im Einklang mit den strategischen Unternehmenszielen.

Überstürzter Aktionismus ist an dieser Stelle keine Hilfe. Wer plötzlich keine Aufträge mehr hat und aus der Not heraus Akquise betreibt, neigt dazu, den übergeordneten Fokus auf die Unternehmensentwicklung aus den Augen zu verlieren. Das gilt es zu vermeiden. Ziel sollte stets sein, den Kühlschrank voll zu machen, solange man keinen Hunger hat.

Hier zeigte die Branche bereits im Vorjahr erheblichen Nachholbedarf. Mehr als 70 Prozent der Unternehmen gaben an, keine Vertriebsaktivitäten zu planen. In den jüngsten Auswertungen ist Vertriebsplanung weiterhin für 60 Prozent der Unternehmen kein relevantes Thema. Dennoch werden im Bereich Kaltakquise und Außendienst bei knapp 70 Prozent der Unternehmen zumindest taktische Vertriebsaktivitäten verprobt und genutzt.

Vertriebsplanung in der praktischen Umsetzung

Ein Vertriebsziel könnte zum Beispiel sein: Gewinn von fünf Neukunden aus der Medizintechnik. Bei einer Vertriebsplanung sollte festgelegt werden, wie ein Unternehmen dieses Ziel erreichen kann. Hier gibt es im Vorfeld vielerlei Fragen zu beantworten:

  1. In welchem Zeitraum ist das Ziel zu erreichen?
  2. Welches Personal soll dafür eingesetzt werden?
  3. Welche Maßnahmen sind dafür nötig?
  4. Wie komme ich an den Datenpool, um die Kontakte via Kaltakquise oder Außendienst anzugehen?

„Aktiver Vertrieb kann nur funktionieren, wenn eine klare Vertriebsplanung existiert, abgestimmt mit der aktuellen Umsatz- und Geschäftssituation des Unternehmens“, erklärt Ruf. „Ich rate jedem Unternehmer deshalb, Vertrieb auf die strategische Agenda zu setzen.“ Gut beraten ist also derjenige, der sich erstmal Gedanken macht, wo er hinmöchte, welche Aktivitäten dafür strategisch Sinn machen, und wie diese über das Jahr entsprechend organisiert werden können. Erst dann sollte man dem Experten zufolge Ressourcen dafür freistellen oder aufbauen und in Kaltakquise investieren.

„Wichtig ist, mit durchdachter Planung unmittelbar auf die Umsetzungsebene zu kommen. Schnelles und gezieltes Handeln ist gefragt. Klares Ziel definieren, Maßnahmen abstecken und einfach machen“, ergänzt Ruf.

Vertriebscontrolling als Wirkungskontrolle dringend etablieren

Einen ebenso hohen Stellenwert wie die Planung, hat bei Vertriebsaktivitäten Vertriebscontrolling – sprich nachgelagerte Erfolgskontrollen. Diese scheinen, bei den Unternehmen im Marktspiegel Werkzeugbau an Bedeutung zu gewinnen. Waren es im Vorjahr weniger als 20 Prozent, messen nunmehr schon knapp 40 Prozent der Unternehmen den Vertriebserfolg.

Auch wenn die Tendenz positiv ist, zeigen Rufs Erfahrungswerte als Gutachter, dass selbst Betriebe, die eine Vertriebsplanung aufgesetzt und Vertriebspersonal eingestellt haben, nicht zwangsläufig Erfolgskontrollen von Aktivitäten durchführen. „Das finde ich besonders bedauerlich“, äußert sich Ruf. „Denn nur wer Ziele im Fokus behält und kurzfristig kontrolliert, kann sicherstellen, dass wertvolle Ressourcen nicht ins Leere laufen.“

Die Zeiten haben sich geändert. Wer Aufträge sicherstellen möchte, muss aktiv daran arbeiten. Vertrieb ist alternativlos geworden. Genau deshalb sollte er als natürliche Komponente mit in die Prozesskette integriert werden. „Unternehmer können sich nicht mehr erlauben, sich zurückzulegen“, resümiert Ruf. „Was zählt ist der Prozess der kontinuierlichen Marktbearbeitung. Und der darf nicht als anstrengend empfunden werden. Der muss natürlich wirken und von Unternehmen gelebt werden. Als wäre es für sie, wie die Luft zum Atmen.“

Was Ruf an den Unternehmern aus dem Werkzeug-, Modell- und Formenbau so schätzt, ist die große Passion, mit der sie ihrer Arbeit nachgehen. Er erklärt: „Ich würde mir wünschen, dass es den Unternehmern dieser Branche gelingt, diese Leidenschaft in Vertriebsmaßnahmen und in die Kommunikation nach außen zu übertragen. Denn das wird das einfachste, natürlichste und erfolgreichste Vertriebsmittel sein, das ihnen zur Verfügung steht.“

Kontakt:

www.marktspiegel-werkzeugbau.com