Reibungsloser Generationswechsel

Bei guter Planung kann der Generationswechsel innerhalb eines Familienunternehmens reibungslos funktionieren. Manche „Junioren“ bereiten sich auch bewusst auf die Übernahme vor und haben den Workshop zum Thema Nachfolge besucht, der während der Herbsttagung 2021 des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie angeboten wurde.

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Für einen reibungslosen Generationswechsel in Familienunternehmen sind Kommunikation und Wertschätzung wichtig. (Bildnachweis: ztony1971– stock.adobe.com)

Gut ausgebildete Unternehmernachkommen könnten problemlos anderswo Karriere machen, und trotzdem ist es ihnen wichtig, die Verantwortung im Familienunternehmen zu übernehmen. Dieser Trend ist neu – noch vor einigen Jahren war es für viele Töchter und Söhne nicht vorstellbar, die traditionell für sie vorgesehene Führungsrolle einzunehmen.

Was die Chance auf eine familieninterne Übergabe noch erhöht, ist die steigende Zahl der potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolger: Mit dem Alter der Unternehmen wächst meist auch die Menge der Familienmitglieder. Und weil das Prinzip „Der älteste Sohn übernimmt das Unternehmen“ nicht mehr gilt, nutzen zunehmend auch Töchter ihre Chance – so wie Kathrin Heinrichs und Anja Brehm.

Kathrin Heinrichs ist Mitglied im Vorstand des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie und u.a. für das Thema Nachfolge in Familienunternehmen zuständig (Bildnachweis: Verband der Deutschen Drehteile-Industrie)
Kommunikation ist wichtig

Der Verband der Deutschen Drehteile-Industrie hat überwiegend Mitglieder aus Familienunternehmen und will die junge Generation beim Thema Nachfolge frühzeitig „mitnehmen“. Vorstandsmitglied Kathrin Heinrichs ist im Verband das Bindeglied zwischen Alt und Jung und hat bei der Herbsttagung 2021 einen Nachfolge-Workshop für die Junioren organisiert: „Der Austausch über die Erwartungen an und zwischen beiden Generationen sollte ganz offen stattfinden und am besten von einem neutralen Dritten moderiert werden, der auch die richtigen Fragen nicht scheut.“

Als Geschäftsführerin bei der Heinrichs & Co. KG hat Kathrin Heinrichs ihre ganz persönlichen Erfahrungen im Familienunternehmen gemacht. „Mein Bruder, mein Cousin und ich haben die Firma von unserem Vater und unserem Onkel übernommen“, erzählt Heinrichs. „Wir haben uns damals beraten lassen, einen weichen Übergang gewählt und dabei auch erkannt, wie wichtig Kommunikation und Information im Unternehmen sind. Nur so kann man Gerüchten und Ängsten vorbeugen und die bestmögliche Akzeptanz der Belegschaft und aller Familienmitglieder erreichen.“

Bei allen Anforderungen an die Juniorinnen und Junioren trägt natürlich auch die Vorgängergeneration entscheidend zum Erfolg der Übergabe bei. Sie muss ihr Verständnis vom Unternehmertum frühzeitig und aktiv weitergeben – dazu gehören Führungsstil, Werte und Kultur. Den Mitarbeitenden dürfen nicht zu vielen Veränderungen auf einmal oder ein komplettes Umkrempeln von heute auf morgen zugemutet werden. Was gut funktioniert hat, sollte auch so bleiben.

„Wenn die Nachfolge gelingt, sind Familienunternehmen deutlich nachhaltiger als Konzerne“, bestätigt Heinrichs. „Natürlich gibt es dabei auch Fallstricke, aber die haben wir erkannt und umschifft. Dazu gehören ganz praktische Dinge: Wer sitzt wo in Meetings, wie spricht man sich vor Dritten an, wer hat das letzte Wort bei Entscheidungen usw. Das klingt vielleicht albern, ist aber wichtig.“

Einen wichtigen Tipp, den die Geschäftsführerin hat, ist das Erstellen eines regelrechten Fahrplans für den Übergabeprozess: Was passiert wann? Wer übernimmt welche Rolle? Wird es ein harter Schnitt oder ein gleitender Übergang? Wer ist nach innen/nach außen verantwortlich? „Jede Familie und jedes Unternehmen ist individuell, und doch kann man in solchen Fragen voneinander lernen“, so Heinrichs. „Deshalb wollen wir das Thema Nachfolge im Verband immer mal wieder auf die Agenda bringen und unseren Junioren eine Plattform dazu bieten.“

Reibungslose Übergabe

Mitten im Übergabeprozess befinden sich Thomas und Anja Brehm von der Brehm Präzisionstechnik GmbH & Co. KG in Ulm. Thomas Brehm fällt es nicht schwer, sein „Lebenswerk“ an seine Tochter zu übergeben: „Ich habe volles Vertrauen in meine Tochter, wir stimmen uns wöchentlich im persönlichen Gespräch ab, und sie weiß, dass ich sie im Bedarfsfall immer unterstütze.“

Da der Geschäftsführer noch circa acht Jahre im Unternehmen bleibt, wird es eine weiche und kontinuierliche Übergabe. Tochter Anja Brehm ist seit August 2021 mit an Bord und leitet die Qualitätsprüfung und den Versand, um die Produkte, die Prozesse, die Kunden und die Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen: „Natürlich ist es am Anfang etwas beängstigend, was da auf mich zukommt. Aber es überwiegt die Vorfreude auf die Herausforderungen und die vielen Möglichkeiten, das Unternehmen und mich selbst weiterzuentwickeln.“

Die 28-jährige Wirtschaftsingenieurin ist stolz auf das, was ihr Vater, ihr Großvater und ihr Urgroßvater aufgebaut haben, und wird die enge Verbundenheit der Familie mit dem Unternehmen beibehalten: „Mein Vater hat sehr viel richtig gemacht – das sieht man am Erfolg des Unternehmens.“ Dennoch will Anja Brehm bei bestimmten Themen frischen Wind einbringen: „Die Technik, vor allem was Digitalisierung und Industrie 4.0 anbelangt, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Hier sehe ich viele Chancen, Prozesse zu vereinfachen und transparenter zu gestalten. Und auch die Zusammenarbeitskultur wird sich sicherlich wandeln.“

Thomas Brehm und Anja Brehm befinden sich mitten in der bisher reibungslosen Übergabe des Familienunternehmens Brehm Präzisionstechnik GmbH & Co. KG in Ulm. (Bildnachweis: Brehm Präzisionstechnik GmbH & Co. KG)
So kann es gelingen

Große Probleme sehen Vater und Tochter bei der Übergabe nicht auf sich zukommen, und auch die Mitarbeitenden sind in den Prozess involviert: „Die familieninterne Unternehmensnachfolge ist in der Belegschaft mittlerweile bekannt und wird als positive Zukunftsperspektive sehr begrüßt, zumal meine Tochter sich bereits ein hohes Ansehen bei der Belegschaft erarbeitet hat“, erzählt Thomas Brehm.

Auch bei der Paul Weber GmbH & Co. KG in Bösingen-Herrenzimmern steht der Nachfolger schon in den Startlöchern. Sohn Patrick und Vater Pius Weber legen viel Wert auf eine klare Aufgabentrennung und eine ehrliche, wertschätzende Kommunikation. „Mein Vater hat mir schon sehr früh Verantwortung übertragen, und das zahlt sich jetzt aus“, stellt Patrick Weber fest.

Das Führungsteam aus externen Mitarbeitern unterstützt den jungen Unternehmer in schwierigen Situationen, „und die vermitteln schon auch mal, wenn es nicht anders geht“, berichtet Patrick Weber. Sein Tipp: Innerhalb der Familie müssen klare Richtlinien vorgegeben und vertraglich festgehalten werden.

Bei guter Planung, intensiver Kommunikation und einer gewissen Offenheit von Alt und Jung kann der Generationswechsel im Familienunternehmen gelingen. Der klassische Patriarch, der das Unternehmen allein führt, ist ein Auslaufmodell. Die Familienunternehmer von morgen sind Teamplayer, die mit dem Thema Nachfolge flexibler umgehen als die Generation ihrer Eltern. Und sie haben kein Problem damit, die Firma zusammen mit angestellten Führungskräften oder weiteren Familienmitgliedern zu führen.

Pius und Patrick Weber von der Paul Weber GmbH & Co. KG in Bösingen-Herrenzimmern: Auch hier wird bei der Übergabe viel Wert auf Vertrauen und Kommunikation gelegt. (Bildnachweis: Paul Weber GmbH & Co. KG)
Kontakt:

www.drehteileverband.de