ZT.de: Mit Blick auf den Fachkräftemangel: Können Sie für uns die allgemeine Situation in Ihrem Unternehmen beschreiben?
Sascha Tschiggfrei: Wie für viele Unternehmen in unserer Branche, ist es auch für WTO nicht leicht Fachkräfte zu rekrutieren. Daher setzt WTO auf eine eigene moderne, fundierte und praktische Ausbildung in der WTO ACADEMY.
ZT.de: Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür, dass in einem Hightech-Land wie Deutschland, ein massiver Fachkräftemangel entstehen konnte? An welcher Stelle lag der Fehler?
SF: Die Schülerinnen und Schüler – und insbesondere deren Eltern – haben wenig Bezug zu den aktuellen, technischen Berufen, und da insbesondere zur Metallbearbeitung.
Der Technik wird weder in den ersten (und folgenden) Schuljahren noch in Praktika ausreichend Zeit eingeräumt.
Es fehlt z.B. an:
– früher spielerischer Auseinandersetzung mit Technik im Elternhaus und Kindergarten
– Schlüsselerlebnissen, bei denen Technik als interessant und herausfordernd erfahren wird
– kontinuierliche, didaktisch gute Technikausbildung in der Schule
– Ausreichenden Praktikumszeiten
– mangelnde Identifikation der Lehrkräfte mit den Bedarfen der Wirtschaft und der Industrie
– Einsicht der Eltern, dass ihre Kinder nicht unbedingt studieren müssen, um erfolgreich einen Beruf auszuüben. Es fehlt an Fachkräften, und nicht an Akademikern, insb. im Maschinenbau.
ZT.de: Führen aktuelle Krisen (z. B. Automobil- oder Chipkrise und Ukrainekrieg) oder auch die Automatisierung der Produktion dazu, dass in Ihrem Unternehmen weniger Fachkräfte benötigt werden?
SF: Nein. Im Gegenteil: Automatisierung bedeutet bei WTO, dass nicht weniger, sondern höher qualifizierte Facharbeiter benötigt werden.
Haben Berufe in der Metallindustrie einen schlechten Ruf? Und wenn ja: womit hat das zu tun?
Es fehlt der Einblick in eine moderne Metallindustriefertigung mit einer anspruchsvollen High-tech-Fertigung und sehr sauberen Arbeitsbedingungen: Viele Leute haben noch Vorstellungen von der Metallbetrieben vor 20-30 Jahren. Heutzutage gibt es wenig konventionelle Handarbeit, die Maschinen sind hochtechnisiert und arbeiten sehr sauber.
ZT.de: Provokante Frage: Lohnt es sich überhaupt, sich für eine Ausbildung in einem Metallberuf zu entscheiden? Andere Branchen scheinen attraktiver zu sein…
SF: Es lohnt sich aus mehreren Gründen:
– monetär: Metallberufe werden – von Anfang an – überdurchschnittlich vergütet
– anspruchsvolle, fordernde Aufgabenstellungen
– Teamarbeit
– Sich von seinem Grundausbildungsberuf, z. B. Industriemechaniker, später zum Beispiel zum Techniker oder Industriemeister fortzubilden, ist erheblich effektiver als gleich nach der Schule ein Studium zu beginnen. Beim Studium fehlt es besonders an Praxiserfahrung.
Einzig „StudiumPlus“, das eine Kombination aus Ausbildung und Studium darstellt, vermittelt gute Praxiskenntnisse.
ZT.de: Was könnte getan werden, um technische Berufe für Frauen attraktiver zu machen?
SF: Die Kette „frühe Begegnung und spielerische Auseinandersetzung mit Technik, Schlüsselerlebnisse und kontinuierliche, didaktisch gute Technikausbildung in der Schule“ sollte nicht unterbrochen werden.
ZT.de: Was ist notwendig, um Personen, die nach Deutschland einwandern, schnell in technischen Berufen auszubilden?
SF: Erlernen der Deutschen Sprache, Integration in Arbeitsgruppen und in Gruppen im privaten Umfeld.
ZT.de: Welche Maßnahmen ergreift Ihr Unternehmen, um den Metallberuf „sexy“ zu gestalten?
SF: WTO pflegt den Kontakt mit dem örtlichen Kindergarten und Bildungspartnerschaften mit regionalen Schulen.
Die Arbeitsplätze bei der familiengeführten WTO sind sehr modern, sauber, klimatisiert und die Arbeitszeiten geregelt. Modernste Maschinen bzw. Technologien sind die Basis für eine sichere und erfolgreiche Zukunft.
ZT.de: Auch die Mentalität gegenüber Arbeit und Freizeit hat sich verändert. Auch bei Ihnen? Und wie versucht Ihr Unternehmen diesen Veränderungen gerecht zu werden?
SF: WTO greift diese Veränderungen mit Angeboten auf, wie ein firmeninternes Fitness-Studio, Betriebsrestaurant, Ein- bzw. Zweischicht-Arbeit (also keine Nachtschicht) und lebensphasenorientierten Mitarbeiter-Benefits.
ZT.de: Wie können Politik und Gesellschaft auf dieses Problem Einfluss nehmen?
SF: Für die oben beschriebene „Kette“ (frühe Begegnung und spielerische Auseinandersetzung mit der Technik, Schlüsselerlebnisse und kontinuierliche, didaktisch gute Technikausbildung in der Schule“ etc.) muss die Bildungspolitik die Grundlagen schaffen.
ZT.de: Neben Ausbildung kann auch die Weiterbildung von bereits Beschäftigten eine wichtige Rolle spielen. Welche Möglichkeiten bieten Sie hierzu an?
SF: WTO unterstützt die Auszubildenden bei einer anschließenden Weiterbildung zum Techniker und Meister. WTO bietet ausreichend Arbeitsplätze für diese dann höher qualifizierten Beschäftigten an.
Z. B. tragen in der vollautomatischen WTO Smart Factory überwiegend ehemalige WTO Auszubildenen, die später eine Weiterbildung zum Techniker oder Meister gemacht haben, die Verantwortung.
ZT.de: Kurze Zusammenfassung: Was muss aus Ihrer Sicht in Zukunft passieren, um eine Lösung für das Problem des Fachkräftemangels zu finden?
SF: Technische Ausbildungsberufe wieder attraktiver machen.
Vielen Dank.
Kontakt: