Start-ups hoch im Kurs

Die EMO Hannover 2019 hat ihr Engagement für junge Unternehmen noch einmal gesteigert und als Leuchtturmprojekt in ihr Programm gehoben. 45 Start-ups zeigen auf der Messe, was sie können.

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Screenshot des drag&bot Operator Panels (Soft Teach Pendant).

„Unternehmen sind wie Schiffe“, sagt Sascha Schubert, der bereits drei Unternehmen gegründet hat und sich als stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups bei den Young Tech Enterprises auf der EMO Hannover einbringt. „Je größer sie sind, desto stabiler folgen sie ihrem Kurs. Wollen sie diesen aber ändern, wird ihre Größe zum Nachteil. Junge Unternehmen mit weniger eingespielten Routinen sind dann flexibler und dynamischer.“

So fordern Start-ups einerseits den Wettbewerb mit frischem Denken heraus und zwingen etablierte Akteure, sich aus ihrer Komfortzone zu lösen. Andererseits bietet die Zusammenarbeit mit Start-ups aber auch traditionellen Herstellern große Chancen, die eigene Position im globalen Wettbewerb zu verbessern. „Arbeiten etablierte Unternehmen und Start-ups zusammen – oder um im Bild zu bleiben: verfügen Tanker über ein schnelles Beiboot – können sie die Vorteile der jeweils anderen Seite nutzen“, so Schubert.

Start-ups und etablierte Hersteller finden zusammen

Eben dieses Ziel verfolgt die Start-up Area der EMO Hannover mit dem BMWi-Gemeinschaftsstand, den Young Tech Enterprises sowie der VDMA Startup-Machine, die jungen Unternehmen aus dem Maschinenbau auch kurzfristige Messeteilnahmen ermöglicht. „Aussteller und Besucher haben hier direkten Zugang zu zahlreichen jungen, kreativen Unternehmen. Umgekehrt haben die Start-ups unmittelbaren Zugriff auf mehr als 2.000 potenzielle Partner“, erklärt Dr. Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) und Veranstalter der EMO Hannover.

„Das macht die EMO Hannover für Industrie-Start-ups zur idealen Plattform, um sich mit etablierten Unternehmen zu vernetzen. Die Messe bietet Ausstellungsfläche, Forum, Matchmaking-Events und Pitches für Start-ups und ermöglicht damit den direkten Austausch zwischen Gründern, Investoren, Partnern und Förderern“, so Schäfer weiter.

Roboter im Handumdrehen programmieren

Rund 15 Mitarbeiter arbeiten bei der drag and bot GmbH aus Stuttgart an einer Software zur einfachen und herstellerunabhängigen Programmierung von Industrierobotern.

Ein Start-up, das sich aufgrund positiver Messeerfahrungen zur Teilnahme am Young Tech Enterprises Programm entschieden hat, ist die drag and bot GmbH aus Stuttgart. 2017 aus dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ausgegründet, arbeiten derzeit rd. 15 Mitarbeiter an einer Software zur einfachen und herstellerunabhängigen Programmierung von Industrierobotern. Mit einer intuitiven Benutzeroberfläche, die an eine Smartphone-App erinnert, will das junge Team mittelständischen Unternehmen den Einstieg in die Automatisierung mit Robotern ermöglichen.

Geeignete Applikationen sind hier etwa repetitive und wenig herausfordernde Tätigkeiten wie das Be- und Entladen von Maschinen oder einfache Handling-Aufgaben, die von Mitarbeitern nur ungerne erledigt werden und sich schnell amortisieren. Die Mitarbeiter werden durch den Einsatz eines Roboters entlastet und können in höherwertigen Aufgabenbereichen eingesetzt werden.

Screenshot mit Programmsequenz: Der drag&bot Builder ermöglicht graphisches Programmieren per Drag and Drop.

So sichert der Aufbau hauseigener Kompetenz im Bereich der Robotik mittelständischen Unternehmen nicht nur Flexibilität in der Produktion, sondern ermöglicht ihnen auch, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren und sich von externen Dienstleistern unabhängig zu machen. Auch Prozesse mit geringen Stückzahlen und hoher Variantenvielfalt können wirtschaftlich automatisiert werden.

„Wir haben aus Kundengesprächen erfahren, dass das Be- und Entladen von Maschinen wichtige Anwendungsfälle für den Maschinenbau sind und haben viele Leads aus der Metallindustrie“, sagt Jonathan Sauter, zuständig für Business Development und Vertrieb bei drag and bot. „Daher war für uns schon länger klar, dass wir uns auf der EMO Hannover präsentieren sollten.“

Innovative Lösung im Einsatz: Schrauben mit drag&bot am Tablet.

Die Entscheidung erleichtert hat das Angebot der Young Tech Enterprises, das Sauter bereits auf der Hannover Messe kennengelernt hatte: „Seit drei Jahren stellen wir in Hannover aus, 2018 waren wir bei den Young Tech Enterprises. Die Stände haben ein cooles Design und es gibt an einem Ort viel Neues auf einmal zu erleben, was sich wiederum positiv auf die Medienpräsenz und die Aufmerksamkeit der Besucher auswirkt. Für uns ist das insgesamt ein tolles Format.“

Gemeinschaftsstand unterstützt bei der Messeplanung

Ähnliche Gründe bewegten die Gerotor GmbH aus Puchheim bei München zur Teilnahme am Gemeinschaftsstand Junge innovative Unternehmen, der speziell auf deutsche Start-ups zugeschnitten ist. „Wir haben bereits 2017 auf der EMO Hannover ausgestellt und waren mit dem Verlauf absolut zufrieden, haben damals sogar den Maschinenmarkt Sonderpreis für Energieeffizienz gewonnen“, erklärt Marcel Werner, Mitgründer von Gerotor und heute zuständig für Business Development.

Mit dem Zielmarkt Maschinen- und Anlagenbau und besonderer Dynamik im Bereich der Werkzeugmaschinen, sieht Werner die Messe als Pflichttermin: „Als Weltleitmesse ist die EMO Hannover für uns der place to be.“ Weil ein eigener Messeauftritt für das kleine Team aber eine enorme Belastung darstelle, entschied sich Gerotor diesmal für die Beteiligung an einem Gemeinschaftsstand, so Werner: „Wir bekommen einen tollen Stand, haben aber weniger Aufwand und müssen uns um weniger kümmern. Für Start-ups ist das ein wichtiger Faktor.“

Energie sparen und Strom putzen

Situation ohne Schwungmassenspeicher: eine Werkzeugmaschine im Einsatz

Auf technischer Seite läuft es derzeit rund für die Jungunternehmer, die mit der Einsparung von CO2 im Produktionsprozess ein hochaktuelles Thema auf der EMO Hannover präsentieren werden. Werner: „Wir haben Gerotor 2015 gegründet, vier alte Geschäftspartner mit jeweils zehn bis 15 Jahren Führungserfahrung im internationalen Automobil- und Zuliefergeschäft. Gemeinsam hatten wir die Idee, die Kers-Technologie, die in der Formel 1 zur Bremsenergierückgewinnung eingesetzt wird, auf die Produktion zu übertragen.“

Statt elektrische Energie in Wärme umzuwandeln oder unwirtschaftlich ins Stromnetz zurückzuspeisen, hält nun ein innovativer Schwungmassenspeicher die Energie im DC-Zwischenkreis der Maschine und macht sie auf diese Weise nutzbar. Der Stromverbrauch kann um bis zu 60 Prozent gesenkt, der CO2-Footprint der Produktion deutlich verbessert werden.

Optimierte Energieeffizienz für Industriemaschinen mit Gerotor Hochleistungsspeichern.

Doch das mittlerweile auf rund 20 Mitarbeiter gewachsene Unternehmen will nicht nur zur Energieeffizienz beitragen, sondern gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Mittelständische Unternehmen, die nahe ihrer Anschlussleistung arbeiten, sollen das verbesserte Spitzenlastmanagement zur Erweiterung ihres Maschinenparks nutzen können. Stromausfälle in der Produktion werden durch den Schwungmassenspeicher überbrückt, der mit einer Speicherdauer von bis zu 15 Sekunden typisches Netzflackern übersteht.

Sogar qualitativ höherwertiger Strom soll entstehen, indem Oberwellen und Blindleistung abgefedert und die Sinuskurve des Stroms geglättet werden: „Geputzter Strom ist sozusagen ein Abfallprodukt unseres Speichers, der den Anwendern zusätzlich zugutekommt. Das alles erreichen wir mit einem rein mechanischen Aufbau ohne Chemikalien, der schon während der Herstellung und Bereitstellung grüner ist, als andere Technologien.“

Optimierte Energieeffizienz für Industriemaschinen mit Gerotor Hochleistungsspeichern.

So soll sich die Investition auch für Kunden schnell rechnen, verspricht Werner: „Wenn ein Maschinenhersteller unser Lastmanagement und die Rekuperation direkt einplant, kann er bei der eigenen Peripherie sparen. Bei einer neuen Maschine mit Downsizing der Peripherie-Komponenten wäre die Amortisation dann noch früher gegeben, beim reinen Add-on des Speichers als Optionspaket von Maschinen wäre sie nach etwa drei Jahren drin.“

Derzeit erforscht und entwickelt das Start-up mit der Universität Stuttgart, dem Fraunhofer IPA und Erprobungspartnern aus der Industrie auch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Sie soll anhand des Stromprofils das Optimum der Maschine erkennen, um Energieeffizienz auch ohne externe Steuerungsbefehle sicherzustellen.

Unterschiede in den Stromprofilen gleicher Maschinen mit gleichem Produktionsprogramm könnten dann etwa Rückschlüsse auf Wartungsbedarfe geben. „Auch deshalb freuen wir uns auf die EMO Hannover, die mit OPC UA und umati zwei spannenden Initiativen zur Auswertung von Maschinendaten großen Stellenwert einräumt“, so Werner.

Eine spannende Plattform für Start-ups

Einig sind sich alle darüber, dass die EMO Hannover auch in diesem Jahr eine spannende Plattform für Start-ups bieten wird. Schäfer: „Mit dem BMWi-Gemeinschaftsstand, Young Tech Enterprises und der VDMA Startup-Machine spricht die Messe Unternehmensgründer gleich auf mehreren Ebenen an. Mit geringem Aufwand können junge Teams Messeerfahrung sammeln, die nächsten Professionalisierungsschritte gehen und mit Ausstellern aus aller Welt in Kontakt treten.“ Die Vorfreude hat auch Sauter gepackt, der für den drag and bot Stand Großes ankündigt: „Wir werden den coolsten Demonstrator auf die Messe mitbringen, den wir je hatten!“

Nominierungsliste zum BMWi Gründerwettbewerb Digitale Innovationen

Mit Spannung erwartet wird die Preisverleihung des Gründerwettbewerbs Digitale Innovationen, die am 17. September ab 17:00 Uhr erstmals auf der EMO Hannover stattfinden wird. Bis 31. März 2019 wurden 252 Gründungsideen eingereicht, die von Datenanalysen bei M&A-Investoren über ein automatisch gesteuertes Indoor-Gewächshaus bis zu digitalen Innovationen im Gesundheitsbereich eine beeindruckende Bandbreite aufwiesen.

Bis zu sechs Ideen werden von einer Fachjury mit Hauptpreisen von je 32.000 Euro ausgezeichnet und bis zu 15 weitere mit einem Geldpreis von je 7.000 Euro prämiert. Zusätzlich zum regulären Wettbewerb wurde passend zur EMO Hannover erstmals auch ein Sonderpreis für Digitale Innovationen in der Produktion ausgelobt und mit 10.000 Euro dotiert. Folgende Gründungsideen wurden durch die Jury nominiert:

Aigora: Trainingsdatensätze für KI-basierte medizinische Anwendungen unter Wahrung des Datenschutzes

Augmented Robotics: Smartphone-Steuerung für handelsübliche Spielwaren zum Spielen von interaktiven Augmented Reality Games

plus10 – Darwin: Selbstlernende Zykluszeitoptimierung für vollautomatisierte Produktionsanlagen

edon – electronic donations: Spenden-Plugin für Bezahlsysteme in Online-Shops und Tool für charity live streams

Energy Robotics: Software für autonome mobile Bodenroboter zur Ferninspektion von Infrastrukturen der Öl- und Gasindustrie

etalytics: KI-basiertes Energiemanagement für Industriebetriebe: Monitoring, Modellierung, Simulation, Prognose und Optimierung

GAIA Indoor Gardening: Automatisch gesteuertes Indoor-Gewächshaus für den Gemüseanbau

HEA2R: Audio-basiertes Assistenzsystem für lärmintensive Industriebereiche

HEDERA: Digitale Lösungen zur Nachhaltigkeitsbewertung und zur Unterstützung von nachhaltiger Entwicklungsfinanzierung

MergerSpot: Datenanalyse für den Mittelstand: Bereitstellung von quantitativen und qualitativen Informationen auf Markt- und Unternehmensebene

Mindable Health: (Therapeutische App für Menschen mit Angststörungen

OCELL: Luftbildaufnahmen für die Forstwirtschaft durch private Piloten mit Multispektral-Sensoren und automatisierter Datenauswertung

outsmart.ai: Selbstlernende Automatisierung von repetitiven Geschäftsprozessen

Pattarina: App, mit der Schnittmuster direkt vom Handy auf den Stoff übertragen werden können

PerAGraft: Patientenindividualisierte Blutgefäßprothesen für Patienten mit Aortenaneurysma (Aussackung der Hauptschlagader

Qbound: Access Management für Applikationen, Cloud-Services und IoT-Geräte: Sicherer Zugriff auf Basis von Software Defined Perimeter und Blockchain-Technologie

SAM: Selbstlernende Assistenzsysteme für Maschinenbediener. Kombination von menschlicher Erfahrung und maschinellem Lernen

sentin: Automatische Erkennung von Fehlern in visuellen und bildbasierten Inspektionsverfahren auf Basis von KI-Technologien

Sooqua: Software für die vorausschauende Wartung von Wassernetzen und industriellen Rohrleitungen

SprayPatternator: Messgerät zur Ermittlung der Flüssigkeitsverteilung von Düsensprays auf Werkzeug- und Bauteiloberflächen

StudySmarter: Intelligente Lernplattform mit automatisch erstellter Lernstruktur mit Mindmap und Lernplan

Kontakt:

www.emo-hannover.de