Mit Innovation und Präzision zum Erfolg

Steigenden wirtschaftlichen und technologischen Herausforderungen begegnen die Präzisionswerkzeughersteller auf der AMB 2012 mit zahlreichen Neuheiten

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Trotz zuletzt leicht rückläufiger Zahlen in der Werkzeugmaschinenbranche: Die Hersteller von Präzisionswerkzeugen schwimmen auf einer Erfolgswelle. Mit immer neuen Innovationen halten sie dem globalen Wettbewerb stand. Ihre neuesten Antworten auf Trends wie Energieeffizienz oder neue Werkstoffe, aber auch rund um das  Thema Dienstleistung, zeigen sie auf der AMB,  internationale Ausstellung für Metallbearbeitung, die vom 18. bis 22. September auf dem Stuttgarter Messegelände neben dem Flughafen stattfindet.

„Für dieses Jahr erwarten wir in Summe nochmals eine spürbare Produktionssteigerung“, hatte Lothar Horn, Vorsitzender des Fachverbands Präzisionswerkzeuge im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) und Geschäftsführer der Paul Horn GmbH, anfangs des Jahres verkündet. Er sollte recht behalten, wie Verbandssprecher Alfred Graf Zedtwitz bestätigt: „Die Zahlen bis April sind positiv, wenn auch der Zuwachs kleiner wird.“ Bestätigt wird dies vom Bundeswirtschaftsministerium: Die Produzenten von Maschinen, Geräten und anderen Investitionsgütern hatten im Juni 1,7 Prozent mehr hergestellt als im Vormonat – deutlich über den Erwartungen. Zwar rechnet Graf Zedtwitz „nicht mit einem extrem starken zweiten Halbjahr, aber den Umsatz des Vorjahres dürften wir wohl auf jeden Fall halten.“ Und der konnte sich sehen lassen: 2011 war mit einem Plus von 21 Prozent auf 10,2 Milliarden Euro Umsatz ein Rekordjahr. Die Teilbranche Zerspanwerkzeuge legte sogar überdurchschnittlich um 29 Prozent zu.

Begründet wird der Optimismus beim VDMA Fachverband Präzisionswerkzeuge, der auch ideeller Träger der AMB ist, mit den weiterhin guten Aussichten in den Hauptabnehmerbranchen, der Automobilindustrie und dem Maschinenbau. Wenngleich auch dort der ganz große Boom sich wohl dem Ende neigt, ergäben sich für die Werkzeugehersteller aus dem immer schnelleren Modellwandel positive Effekte. Lothar Horn: „Wir profitieren von neuen Modell- und Motorengenerationen mit den entsprechenden Umrüstprojekten in der Automobilindustrie, wobei das Downsizing von Motoren und Turboladern auch die Produktionsmittel vor hochtechnologische Herausforderungen stellt.“

Aber wo liegen die technologischen Trends dieser Vorzeigebranche? Eine Antwort für die spanenden Verfahren Bohren, Drehen und Fräsen suchten das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT und das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen. Für die gerade vorgelegte Studie haben die beiden Aachener Forschungsinstitute rund 150 Unternehmen befragt, darunter mehrheitlich Anwender von Zerspanungstechnologien, Werkzeughersteller und  beschichter sowie Hersteller von Werkzeugmaschinen, Werkstoffen und Sondersystemen für Aktorik, Sensorik und Spannsysteme. „Der wachsende Wettbewerbsdruck auf nationalen und vor allem internationalen Märkten führt dazu, dass Anwender von Zerspanungstechnologien sich mit der Forderung nach immer kürzeren Bearbeitungszeiten konfrontiert sehen – bei gleichzeitig geringeren Produktionskosten und gleichbleibender oder sogar höherer Qualität“, fasst Marc Busch, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Gruppenleiter Hochleistungszerspannung am IPT, kurz die zentralen Herausforderungen zusammen. Er leitete die ‚Werkzeugstudie 2012 – Trends in der Werkzeugtechnik‘.

Besonders hohe Forderungen stellen danach neue, schwer zerspanbare Werkstoffe, die zunehmend häufiger für Produktinnovationen eingesetzt werden. Die Zerspanungswerkzeuge seien bei der Bearbeitung hochwarmfester und hochharter Materialien, wie Nickelbasis- und Titanlegierungen, Titanaluminiden oder pulvermetallurgisch erzeugten Stählen, hohen thermischen und mechanischen Belastungen ausgesetzt. Busch: „Sie sind die Ursache für geringe Standzeiten der Werkzeuge, lange Prozesszeiten und mindere Qualität der Bauteiloberflächen.“

Von zentraler Bedeutung sei bereits die Auswahl des richtigen Werkzeugs. Obwohl die Entwicklung in Richtung angepasster Werkzeuggeometrie und  beschichtung sowie innovativer Schneidstoffe gehe, gab die Mehrheit der befragten Unternehmen zu, eher „unsystematisch vorzugehen; dies kann die Prozessauslegung verzögern und zu hohen Kosten führen“. Rund 80 Prozent der Befragten sähen, so Busch, daher in Zukunft Bedarf für standardisierte Verfahren der Prozess- und Werkzeugauslegung sowie Informationen über optimierte Werkzeuggeometrien und Beschichtungen.

Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben nannten fast alle befragten Unternehmen die Entwicklung neuer Kühlschmierstrategien. Marc Busch: „Erst wenn Strategien wie die Minimalmengenschmierung, Hochdruck- und Cryogenkühlung perfekt auf die eingesetzten Zerspanwerkzeuge abgestimmt sind, können diese ihre volle Wirkung entfalten und Prozesse noch leistungsfähiger machen.“ Bei Systemen zu Prozessüberwachung käme es rund zwei Drittel der Befragten zufolge vor allem auf Robustheit, Bedienerfreundlichkeit und Flexibilität an. Überrascht waren die Aachener Forscher jedoch, dass sich immerhin die Hälfte der befragten Unternehmen nicht vorstellen konnte, wie moderne Prozessüberwachungssysteme ihnen helfen könnten, die Reinheit des Kühlschmiermittels zu prüfen oder unterschiedliche Tribosysteme hinsichtlich der Kühlschmierstoffstrategie oder Beschichtungstechnologie zu bewerten. „Nützlich werden solche Funktionen immer dann, wenn neue und schwer zu bearbeitende Werkstoffe wie hochharte Stähle oder hochwarmfeste Legierungen auf Eisen-, Nickel- oder Titanbasis ins Spiel kommen“, so Marc Busch.

Gerade in puncto Prozesssicherheit will der AMB-Aussteller Komet GmbH, Besigheim, punkten. Im März erwarb sie deshalb die Brinkhaus GmbH, spezialisiert auf Überwachungs- und Regelungssysteme für Werkzeugmaschinen. „Kernprodukt der Komet-Brinkhaus ist das ToolScope-System, das auf einer neuartigen Technologie im Bereich der Prozess- und Maschinenüberwachung basiert“, erklärt Marten Veenendaal, Marketingleiter der Komet Group. Mit einem speziellen, patentierten Verfahren zur statistischen Prozesskontrolle sei nicht nur die Überwachung auf Werkzeugbruch, sondern auch auf deutlich geringere Fertigungsabweichungen möglich. Veenendaal: „Damit bietet das System neben den üblichen Verfahren der Prozesskontrolle erstmalig die Möglichkeit zur Qualitätskontrolle im Prozess an.“

Bei aller Vielfalt der Themen, am Ende hätten „alle nur das Ziel, die Produktivität zu steigern und parallel die Produktionskosten zu senken“, erklärt Kurt Brenner, Technischer Leiter der Iscar Germany GmbH, Ettlingen. Im Wesentlichen sind es dann auch die Themen, die sich in der IPT-Studie herauskristallisierten, die Iscar auf der AMB thematisieren wird: Kühlschmierstoff-Strategien, neue Werkstoffe, kundenspezifische Individualisierung von Werkzeugen, Energieeffizienz und Ressourcenschonung sowie Dienstleistungen. Während noch vor wenigen Jahren der Trend zur Trockenbearbeitung ging, habe sich laut Brenner mittlerweile Ernüchterung eingestellt: „Heute muss man feststellen, dass die Umsetzung weit hinter den Erwartungen liegt.“ Außer in der Massenfertigung dominiere weiterhin die Überflutungskühlung. Allerdings: Auch sie lasse sich durch den Einsatz von Werkzeugen, die eigentlich für die Hochdruckbearbeitung entwickelte wurden, optimieren.

Bei schwer zerspanbaren Materialien wie Titan, Titanliegerungen oder Nickelbasislegierungen sei jedoch die Hochdruckkühlung zwischen 80 und 150 bar, in Einzelfällen bis 400 bar, nicht mehr wegzudenken. Die Besonderheit: Die Kühlschmierstoffe werden über das Werkzeug direkt in die Schnittzone geführt und können so nicht nur die Wärme abtransportieren, sondern auch den Span brechen. Brenner:  „Werkzeuge, Schneidgeometrie und Schneidstoff müssen dem Verfahren angepasst sein, weshalb wir ein komplettes Werkzeugprogramm für solche Anwendungen im Drehen, Stechdrehen und Fräsen entwickelt haben.“ Aber auch an der neuesten Entwicklung in Sachen KSS, der Cryo-Zerspanung, arbeite man intensiv in vielen Forschungsprojekten.

Eine Mischung aus Alt und Neu konstatiert Prof. Dr.-Ing. Diethard Thomas, Leiter der LMT Group Academy in der LMT Tool Systems GmbH, Oberkochen: „Die Trends bei Präzisionswerkzeugen sind zum einen alte Bekannte, wie Produktivitätssteigerung, Präzision und Multifunktionalität. Zum anderen fokussieren sich die Innovationen aber auch auf neue Trends, die mit Leichtbau, Ökologie bzw. schonender Umgang mit Rohstoffen (Blue Competence) und Kommunikation überschrieben werden können.“ LMT zeige auf der AMB zahlreiche Neuheiten, von denen insbesondere die Anwenderbranchen Automotive, Luft- und Raumfahrt, Energietechnik, Gesenk- und Formenbau sowie Allgemeiner Maschinenbau profitierten. Prof. Thomas: „Dabei steht die Performancesteigerung bei der Bearbeitung von Guss- und hochfesten Stahlwerkstoffen ebenso im Fokus wie neue Leichtbauwerkstoffe, zum Beispiel Composites und Plastics.“

Bei der Kelch GmbH hat man sich vor allem den „Blue Competence“-Gedanken auf die Fahnen geschrieben. „Die Blue-Competence-Initiative des VDMA verdient unsere vollste Unterstützung“, sagt Uwe Rein, Prokurist und Vertriebsleiter des Weinstädter Unternehmens. „Wir haben unsere neue Gerätetechnik deshalb auf ‚Blue Competence‘ abgestimmt.“ Man habe neue Komponenten verbaut, die das Arbeiten nicht nur leichter, sondern auch effizienter machen. „Das sorgt für mehr Leistung, bessere Abläufe und somit für weniger Ausschuss oder Nachbearbeitung an der spanenden Maschine.“ Neben dem neuen ergonomischen Design der Geräte, wurde auch die Software stark aufgerüstet, die jetzt auf Windows 7 aufsetzt und auf der AMB zu sehen sein wird.

„Effizienzsteigerung“ ist auch das Thema der Wohlhaupter GmbH, Frickenhausen. Der Spezialist für modulare Werkzeugsysteme beschäftigt sich traditionell mit der Effizienzverbesserung in der Bohrungsbearbeitung und zeigt dies auch auf der AMB. „Dies geschieht entweder durch Einsparungen kompletter Aufspannungen anhand kundenspezifischer Werkzeugauslegungen oder Einsparungen im Bereich der Rüst- oder Nebenzeiten durch schnellere und vor allem präzisere Einstellung der Werkzeuge“, erklärt Geschäftsführer Frank-M. Wohlhaupter. Hieraus habe sich der neue Trend in Richtung digitaler Werkzeuge für die Bohrungsbearbeitung entwickelt. Wohlhaupter: „Mithilfe modernster opto-elektronischer Verstellwegmessung, eingebaut in Präzisionswerkzeugen zur Fertigbearbeitung von Bohrungen reduzieren wir gezielt die Rüst- und Nebenzeiten.“ Als Vorteile nennt er die µ-genaue Durchmessereinstellung der Werkzeuge direkt in der Maschine, die einfache Ablesbarkeit sowie die hohe Genauigkeit. Die Qualität der Bohrungen verbessere sich, gleichzeitig reduziere sich die Ausschussquote drastisch.

Die Bearbeitung von Verbundstoffen spielt für die Paul Horn GmbH, „nicht nur in Hinblick auf die AMB eine herausfordernde Rolle“, sagt Christian Thiele, Sprecher der Paul Horn GmbH. So seien die Möglichkeiten, diese Werkstoffe technologisch und wirtschaftlich sinnvoll zu bearbeiten, begrenzt. Thiele: „Es gibt zwar viele Berichte und Versuche darüber, diese haben jedoch oft nur theoretischen Charakter.“ Es fehle allgemein an Praxiserfahrung und Serienreife. Bei Paul Horn setze man vor allem auf CVD-D-Werkzeuge bei Dreh- und Fräsoperationen. „Dabei wird der abrasive Werkstoff mit scharfen Schneiden geschnitten und nicht gebrochen. Wir können bereits auf positive Praxiserfahrungen zurückzugreifen und serienreife Lösungen, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, anbieten.“ Deshalb werde sein Unternehmen das Projekt ‚Kompetenz Verbundstoffe‘ zum Thema auf der AMB machen.

Auch das Thema Dienstleistungen wird auf der AMB groß geschrieben. „Angesichts globalisierter Märkte und immer stärkeren Konkurrenzdrucks erwarten Industrieunternehmen zunehmend integrierte Lösungen, mit denen sie mittel- und langfristig wettbewerbsfähig bleiben“ erklärt Dr. Klaus Christoffel vom Geschäftsbereich Coromant der Sandvik Tooling Deutschland GmbH in Düsseldorf. Der zunehmende Fachkräftemangel trage ebenfalls dazu bei, dass die Industrie nicht länger nur Produktlieferanten suche, sondern vielmehr „Unterstützung bei der Findung ganzheitlicher Lösungen zur Kostensenkung“. Sandvik Coromant biete deshalb umfassende Beratungsleistungen für kundenindividuelle Fertigungsprozesse. Das Maximum an Produktivität und Effizienz sowie eine signifikante Kostenreduzierung sei nicht mehr allein durch den Einsatz hochpräziser Zerspanungswerkzeuge zu erreichen. „Wir entwickeln deshalb spezifische Lösungsansätze, um das Optimierungspotenzial sämtlicher Produktionsteilprozesse beim Kunden ausschöpfen zu können.“ ‚Value Chain Offer‘ nennt sich diese Dienstleistung, in deren Rahmen Kunden Antworten auf alle Fragen entlang der Wertschöpfungskette – von Forschung und Entwicklung über Beschaffung, Produktionsplanung, Produktion, Logistik bis hin zur Mitarbeiterqualifizierung – erhielten.

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www.amb-messe.de