Prozesssichere Inconel-Zerspanung bei MTU

MTU Aero Engines AG in München hat in eine zentrale KSS-Reinigungs- und Späneentsorgungsanlage (ZKSS) von KNOL für die Turbinenscheiben-Bearbeitung investiert.

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Wichtiger Bestandteil des neuen Fertigungssystems bei der MTU: die von KNOLL gelieferte KSS-Zentralanlage, die das Reinigen, Temperieren und Nachbefüllen des Mediums übernimmt. Bild: Knoll

Inconel 718 ist eine Nickelbasislegierung, die extremen Temperaturen und Druckunterschieden standhält – ideal für den Einsatz in der Luft- und Raumfahrt. Doch ihre Zerspanung stellt hohe Ansprüche an Maschinen, Werkzeuge und an den Kühlschmierstoff (KSS). Damit letzterer stets sauber, temperiert und in der richtigen Menge zur Verfügung steht, hat sich der führende deutsche Triebwerkshersteller MTU Aero Engines für eine zentrale KSS-Reinigungs- und Späneentsorgungsanlage (ZKSS) von KNOLL entschieden.

Fertigungshalle für die Herstellung von Niederdruck-turbinenscheiben aus Inconel…

MTU – diese drei Buchstaben stehen in der Luftfahrt für Technologie der Spitzenklasse. Das Unternehmen mit seiner Zentrale in München ist auf die Entwicklung, Fertigung und Instandhaltung ziviler und militärischer Triebwerke aller Schub- und Leistungsklassen spezialisiert. Das Münchner Werk ist nicht nur Verwaltungssitz, sondern auch ein wichtiger Produktionsstandort.

Hier werden unter anderem Komponenten für die ökoeffizienten Getriebefan-Triebwerke von Pratt & Whitney hergestellt, die gegenüber konventionellen Antrieben rund 25 Prozent des Kraftstoffs einsparen.

..6.000 Teile pro Jahr, in Zukunft 12.000. Bild: MTU

Diese Triebwerke sind stark nachgefragt, weshalb die MTU diesbezüglich mit wachsendem Produktionsvolumen rechnet. Eine Prognose, die auch für den Neubau eines mehrstöckigen Produktionsgebäudes ausschlaggebend war, in dessen Erdgeschoss seit Anfang 2024 Niederdruckturbinenscheiben weitestgehend automatisiert gedreht und gefräst werden.

Typische Niederdruckturbinenscheibe Bild: MTU

„Um in dieser neuen Fertigung maximale Prozesssicherheit zu erhalten, ist unter anderem eine zuverlässige Versorgung mit sauberem, exakt temperiertem KSS unerlässlich“, betont der zuständige Werkstatt-Teamleiter Zeljko Leovac. „Das lässt sich wirtschaftlich nur mit einer zentralen KSS-Anlage realisieren. Wenn jede Anlage eine eigene KSS-Anlage hätte, wäre der Platzbedarf in der Halle zu groß.“

Bereits positive Erfahrungen mit Zentralanlagen gesammelt

Teamarbeit: (v.l.n.r.) Werkstattleiter Zeljko Leovac, Projektleiterin Christina Braun (beide MTU), KNOLL-Projektleiter Lothar Schmid und Gebietsverkaufsleiter Gerhard Fink: Bild: Knoll

Dass der Auftrag für eine solche ZKSS-Anlage an KNOLL Maschinenbau, Bad Saulgau, ging, hat mehrere Gründe. Christina Braun, die für die Beschaffung der ZKSS sowie der Bearbeitungsmaschinen der Niederdruckturbinenscheiben-Fertigung zuständig war und heute deren Projektleiterin ist, berichtet: „Wir arbeiten schon seit 40 Jahren erfolgreich mit KNOLL-Systemen zur Reinigung von KSS-Emulsion, zunächst ausschließlich mit dezentralen Lösungen.

KNOLL-Projektleiter Lothar Schmid erklärt am Schaltschrank-Display spezielle Funktionen; in der Mitte Christina Braun und rechts Zeljko Leovac (beide MTU), links vorne KNOLL-Gebietsverkaufsleiter Gerhard Fink.Bild: Knoll

Seit einigen Jahren haben wir auch zwei große KNOLL-Zentralanlagen in unseren Titan-Bearbeitungshallen installiert und sind damit sehr zufrieden.“

In der neuen Produktionshalle wird ausschließlich Inconel 718 zerspant. „Diese Späne wollten wir sortenrein rückgewinnen und dem Recycling zuführen“, erklärt Christina Braun eine wichtige Vorgabe, die KNOLL ebenso erfüllen konnte wie Forderungen nach einer technischen Verfügbarkeit von min. 99 Prozent, nach durchgängiger Redundanz und geringem Wartungsaufwand, Nachhaltigkeit sowie minimalem Flächenbedarf.

Alle Dreh- und Fräsmaschinen des neuen MTU-Fertigungssystems sind mit einer Druckerhöhungs- (links) und einer Rückpumpstation mit Zerkleinerer (rechts) jeweils von KNOLL Maschinenbau ausgestattet. Bild: Knoll

Die KNOLL-Anlage ist in einem separaten Anbau der Halle untergebracht, damit es im Produktionsbereich möglichst ruhig bleibt. „Das hat sich bereits bei den bestehenden ZKSS-Anlagen bewährt“, argumentiert Projektleiterin Braun. Auf rund 190 m2 befinden sich nun der 40 m3 große Schmutzwassertank mit Kratzbandförderer sowie ein ebenso großer Pufferbehälter, wenn große Wartungsmaßnahmen anstehen. Neben den Pumpen, Filtern und sonstigen Komponenten ist dort auch ein automatisierter Spänecontainer-Bahnhof vorhanden.

KNOLL-Komponenten an den Werkzeugmaschinen

Links im Vordergrund: drei frequenzgesteuerte Prozesspumpen mit einer jeweiligen Pumpleistung von 2000 l/min. Sie sorgen für eine bedarfsgerechte und somit energieeffiziente Versorgung der Maschinen. Bild: Knoll

Doch die KNOLL-Dienstleistung beginnt schon in der Fertigungshalle. Genauer gesagt, an den Dreh- und Fräszentren, welche die jeweiligen Maschinenhersteller mit KNOLL-Druckerhöhungsstationen ausstatten ließen – für eine effiziente innere Kühlmittelzufuhr (IKZ) der Werkzeuge.
Außerdem sind die Maschinen mit Rückpumpstationen inklusive Spänezerkleinerer für den KSS- und Spänetransport zur Zentralanlage ausgestattet. Lothar Schmid, bei KNOLL für dieses Projekt zuständig, erwähnt:

Der Schmutzwassertank mit Kratzbandförderer separiert die Inconel-Späne vom KSS. Bild: Knoll

„Die verwendeten Zerkleinerer haben wir speziell für die abrasiven Inconel-Späne ausgelegt und mit Originalspänen getestet.“

Bei der Gestaltung der Rückpumpstationen berücksichtigte das Projektierungsteam sowohl die Förderhöhe bis unter die Hallendecke als auch die anfallende Menge des KSS-Späne-Gemischs.

Für die Zukunft gerüstet

Wärmetauscher. © Knoll

Das neue MTU-Fertigungssystem wird in zwei Ausbaustufen mit final acht Dreh- und sieben Fräszentren samt vollautomatisiertem Bauteil- und Werkzeugrüsten ausgestattet. In der derzeitigen ersten Stufe ist nur die Hälfte der Kapazität vorhanden. Die zweite soll langfristig bis zum Jahr 2036 realisiert werden.

Die zentrale KSS-Anlage ist schon für die Endausbaustufe konzipiert, mit einem Tankvolumen von etwa 40 m3 und einem maximalen Volumenstrom von 3.300 l/min. Zusätzlich ist ein zweiter, ebenso großer Tank installiert, in dem für große Wartungsarbeiten die komplette KSS-Menge zwischengepuffert werden kann.

Die geforderte nominale Filterfeinheit von 25 µm wird in drei Stufen erreicht: Zunächst findet im Schmutzwassertank eine Sedimentation statt. Über eine Hebeanlage durchläuft der KSS dann drei Trommelspaltfilter mit einer 0,2 mm Spaltweite und schließlich zwei Rückspülfilter, welche die Hauptfiltrationsgüte von 25 µm gewährleisten.

Der Zentrifugalseparator im Bypass verhindert, dass sich feinste Partikel im KSS anreichern. Bild: Knoll

Umfangreiche Sonderausstattung

Um die hohe Qualität des KSS und der zerspanten Bauteile langfristig sicherzustellen, sind zusätzliche Komponenten erforderlich. So ist zum Beispiel ein KNOLL-Vakuumfilter VL1000 mit einem 20 µm-Filterflies installiert, der das rückgespülte Medium reinigt. Ebenfalls im Sinne der Badpflege tätig, ist ein im Bypass arbeitender Zentrifugalseparator. Er verhindert, dass sich feinste Partikel im KSS anreichern. Ein nachgeschalteter Magnetabscheider zieht zusätzlich den Rohrleitungsabrieb aus dem KSS, den die abrasiven Inconel-Späne verursachen. Ebenfalls vorhanden: ein Fremdölabscheider, der unerwünschte Schmierstoffbestandteile entfernt.

Gute Pflege zahlt sich aus

Zur Pflege der KSS-Emulsion gehört nicht nur die Filtration, auch die Zusammensetzung muss exakt passen. Daher ist es unerlässlich, einmal wöchentlich eine Probe zu nehmen und im Labor zu untersuchen. „Einmal für das ganze Fertigungssystem“, betont Zeljko Leovac. „Bei dezentralen KSS-Systemen muss an jeder Maschine eine Probe genommen und gegebenenfalls nachjustiert werden. Die Zentralanlage spart diesbezüglich viel Wartungsaufwand.“

Der KNOLL Vakuumfilter VL1000 reinigt das rückgespülte Medium. Bild: Knoll

Die Nachbefüllung der KSS Anlage erfolgt automatisiert. Hierbei wird entweder Stadtwasser oder VE-Wasser mit beigemischtem KSS-Konzentrat zudosiert. Auch sonstige Additive wie Fungizide und Entschäumer lassen sich automatisch hinzufügen, damit der KSS stabil bleibt. Laut Fertigungsexperte Zeljko Leovac ist dies enorm wichtig, damit „wir eine gleichbleibend hohe Bauteilqualität gewährleisten können.“

Containerbahnhof zur Späneentsorgung

Wie eingangs beschrieben, fallen beim Zerspanen der Niederdruckturbinenscheiben eine große Menge Späne an. Im Falle von sortenreinem Inconel ist das kein Abfall, sondern wertvoller Rohstoff. Daher kooperiert MTU mit einem Recyclingunternehmen, das die Späne zurücknimmt, einschmilzt und als Rohmaterial erneut zur Verfügung stellt.

Am Ende des Schlammräumers werden die Inconel-Späne über eine Schwenkrutsche in die Spezialbehälter gefördert (im Hintergrund). Der für sieben Behälter ausgelegte Containerbahnhof erlaubt einen bedienerlosen Wochenendbetrieb. Bild: Knoll

Zu den Aufgaben der KNOLL-Anlagenplaner gehörte es daher auch, dafür zu sorgen, dass die aus dem KSS abgeschiedenen Späne automatisiert in von der MTU gestellte Spezialbehälter abgefüllt werden. Da das Volumen eines Behälters nicht für die 40 Stunden mannlosen Wochenendbetrieb ausreicht, musste ein Containerbahnhof realisiert werden, in dem mehrere Behälter automatisch befüllt und gepuffert werden können.

Automatisierung

Fan eines Pratt & Whitney GTF™-Triebwerks für die zivile Luftfahrt (Airbus A320 neo. Bild: MTU

„Hierbei kamen uns die Erfahrungen aus bisherigen Projekten zugute“, erwähnt Gerhard Fink, der zuständige Gebietsverkaufsleiter bei KNOLL. „Auch die beiden anderen Zentralanlagen bei der MTU haben wir mit einer ähnlichen Station ausgestattet, die wir hier weiter verfeinert und auf die jetzigen Gegebenheiten angepasst haben.“ Besonders anspruchsvoll war es, bei den beengten Raumverhältnissen dem Gabelstapler die Aufgabe- und Entnahmestation gut zugänglich zu machen und Sicherheitsabstände einzuhalten.

Die Zerspanung der nickelbasierten Legierung Inconel 718 stellt hohe Anforderungen an Maschine, Werkzeug und KSS. Bild: MTU

Von Vorteil war, dass sich das Planungsteam auch auf das Know-how der KNOLL-Automatisierungsabteilung stützen konnte, die auf Fördersysteme spezialisiert ist. Entsprechend basiert die umgesetzte Lösung auf einem von KNOLL entwickelten Staurollentransportsystem, das Platz für bis zu sieben Container bietet (eine Pufferstrecke für drei volle und drei leere Behälter sowie einen Platz in der Befüllstation).

Partnerschaft auf Augenhöhe

Von der Auslegung bis zur Montage der zentralen KSS-Anlage und des Containerbahnhofs – die Zusammenarbeit von KNOLL und MTU war von großem beiderseitigem Engagement geprägt. Da stimmen alle Beteiligten überein. „KNOLL ging immer wieder auf unsere Wünsche ein“, bekräftigt Christina Braun. Lothar Schmid betont, dass die MTU sehr schnell alle erforderlichen Freigaben erteilte und die notwendigen Mittel bereitstellte, um die besprochenen Lösungen zügig umzusetzen. Zeljko Leovac freut sich insbesondere über ein Jahr ohne Störung bei der KSS-Versorgung: „Seit der Befüllung läuft die Anlage problemlos. Das wissen wir sehr zu schätzen.“

Kontakt:

www.knoll-mb.de