Sexy Metallberuf – Nachgefragt bei der CHIRON Group

Die CHIRON Group zum Thema: Wie kann können Metallberufe „sexier“ gestaltet werden?

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Die CHIRON Group in Tuttlingen (Bildnachweis: CHIRON Group SE)

Mit Blick auf den Fachkräftemangel: Können Sie für uns die allgemeine Situation in Ihrem Unternehmen beschreiben?

Aktuell bekommen wir unsere Ausbildungsstellen alle noch besetzt. Aber der Rückgang treibt uns schon um. Es ist nicht mehr so einfach Fachkräfte zu bekommen. Ob allgemein in das Unternehmen oder auch über die Ausbildung. Die Ausbildung hat für uns einen sehr hohen Stellenwert, da wir viele offene Stellen über selbst ausgebildete Fachkräfte besetzen.

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür, dass in einem Hightech-Land wie Deutschland, ein massiver Fachkräftemangel entstehen konnte? An welcher Stelle lag der Fehler?

Durch die zunehmende Akademisierung der Gesellschaft sowie durch die mangelhafte Bildungspolitik und Sparen der Einrichtungen haben wir dafür gesorgt, dass Fachkräfte und Gesellen gesellschaftlich gesehen keinen guten Stellenwert mehr haben. Habt ihr in der Werbung schon einmal Facharbeiter gesehen? Doch nur in Anzug und Krawatte (mein Haus, mein Auto, meine Jacht.) Das zieht sich durch vom Elternhaus über den Freundeskreis bis durch die Schule. Wenn hier kein Umdenken stattfindet, können wir strampeln, wie wir wollen…

Führen aktuelle Krisen (z.B. Automobil- oder Chipkrise und Ukrainekrieg) oder auch die Automatisierung der Produktion dazu, dass in Ihrem Unternehmen weniger Fachkräfte benötigt werden?

Garantiert nicht, wir werden immer Fachkräfte benötigen, um unsere anspruchsvollen Produkte herstellen zu können.

Haben Berufe in der Metallindustrie einen schlechten Ruf? Und wenn ja: womit hat das zu tun?

Viele Eltern und Lehrer sind noch in dem Irrglauben, dass die Fabriken dreckig und laut sind und schwer gearbeitet wird. Leider nutzen viele nicht die Gelegenheit, sich diese Bereiche oder die Unternehmen persönlich anzuschauen. Dann könnten sie sehen und verstehen, welche beruflichen Möglichkeiten ein technischer Beruf tatsächlich bietet.

Provokante Frage: Lohnt es sich überhaupt, sich für eine Ausbildung in einem Metallberuf zu entscheiden? Andere Branchen scheinen attraktiver zu sein…

Wer was erleben will, ist bei uns richtig. Interessante Tätigkeiten, Abwechslung, neueste Techniken, attraktive Arbeitsplätze, Entwicklungsmöglichkeiten, gute Bezahlung und Sicherheit – was will man mehr? Die Türen sind immer offen. Wer weiterkommen möchte kann sich ohne Probleme verändern oder weiterbilden. Wo gibt es das schon? Ich denke, die Branche ist eine der vielseitigsten und interessantesten, die es überhaupt gibt.

Was könnte getan werden, um technische Berufe für Frauen attraktiver zu machen?

Wir haben in unseren Reihen einige Frauen und die haben richtig Power. Leider sind es nur einzelne, aber wir erkennen einen leichten Aufwärtstrend. Interessant ist, dass wir Frauen vor Ort und persönlich am besten davon überzeugen können, dass der Beruf der Richtige für sie ist. Von der Facharbeiterin bis hin zur Ingenieurin – alles ist bei uns vertreten. Die Bezahlung stimmt auch: Wir bezahlen nach Job nicht nach Geschlecht. Wir müssen weiter werben und hoffen, dass noch mehr sich in diese Richtung orientieren. Viele trauen sich nicht den Schritt in eine Männerdomäne zu machen, was sehr schade ist.

Was ist notwendig, um Personen, die nach Deutschland einwandern, schnell in technischen Berufen auszubilden?

Auf der einen Seite brauchen wir die Gewissheit, dass sie dann auch bleiben können. Die Bürokratie ist ein großes Hindernis und bremst leider immer wieder aus. Was aber auf der anderen Seite unzureichend gefördert wird, ist die Sprache. Wenn die Bewerber kein Deutsch sprechen und verstehen können, wird es schwer mit der Berufsausbildung. Die Berufsschule ist auf Deutsch. Es reicht nicht die Worte lesen zu können, man muss es auch verstehen. Das ist in meinen Augen das größte Hindernis. Doch am Rande: immer mehr in Deutschland geborene Bewerber haben ebenfalls große Schwierigkeiten damit.

Welche Maßnahmen ergreift Ihr Unternehmen, um den Metallberuf „sexy“ zu gestalten?

Wir versuchen mit vielen verschiedenen Maßnahmen attraktiv zu bleiben. Ob im Bereich der Digitalisierung, bei gemeinschaftlichen Projekten, überregionalen Verbunden, bei geselligem Beisammensein, Exkursionen, Prämierung guter Leistungen und der individuellen Förderung von Schwächeren, Englisch-Unterricht im Betrieb, Auslandsaufenthalte, Teilnahme an Berufswettbewerben (ob im Kaufmännischen oder Technischen Bereich, z.B. bei den WorldSkills), modernste Arbeitsplatz-Ausstattung, gute Betreuung, Schulkooperationen, Mitwirkung beim Social Media Auftritt der Ausbildung, Lernplattformen für eigenständiges Lernen uvm. Die Liste könnte noch ewig erweitert werden. Und das alles neben der klassischen geforderten Ausbildung zu der auch viele Fachkurse gehören.

Auch die Mentalität gegenüber Arbeit und Freizeit hat sich verändert. Auch bei Ihnen? Und wie versucht Ihr Unternehmen diesen Veränderungen gerecht zu werden?

Wir bieten viele Aktivitäten über unser Gesundheitsmanagment an. Das verbindet. Es gibt auch eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitszeitmodelle, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Weiter ermöglichen wir unkompliziert Aufstockung oder Absenkung der Arbeitszeit auch vorübergehend, für Weiterbildung, familiäre Veränderungen und und und. Mit Absprache ist vieles möglich, aber natürlich sind auch betriebliche Grenzen gesetzt.

Wie können Politik und Gesellschaft auf dieses Problem Einfluss nehmen?

Hier hat die Politik einen großen Einfluss. Sie hat uns auch zum großen Teil an diese Stelle gebracht. Mit Pisa kam der Akademikerwunsch, wir brauchen mehr Akademiker:innen. Dass das hochgelobte Duale System in vielen anderen Ländern und auch bei der Betrachtung kaum eine Rolle gespielt hat war ein großer Nachteil für uns. Weiter hat man aus meiner Sicht ohne Not den Diplom Ingenieur wegrationalisiert. Mit dem Bachelor haben wir erreicht, dass wir ein Semester weniger studieren, aber ein Vorpraktikum benötigen und den Wunsch einen Master draufzusetzten bei den Studierenden geweckt wurde. So sind wir in der Realität von 8 auf 7 und letztendlich auf 10 Semester Studienzeit gekommen. Doch das gehört hier nicht her.

Das klassische 3-gliedrige Schulsystem wurde aufgegeben, Gemeinschaftsschulen war der Gipfel des Eisbergs. Gleichzeitig schaffen wir die Grundschulempfehlung ab. Da die Förderungen nur über Köpfe läuft wurden die kleineren Schulen alle ausradiert und somit viel Potenzial aufgegeben. Jetzt mussten durch die Zunahme der Zuwanderungen Lösungen gefunden werden. Diese packte man in spezifische Klassen und danach sofort in die Hauptschulen. Das konnte nicht gut gehen. Weiter wurde das G8 eingeführt und jetzt haben wir das Resultat, dass nichts mehr so richtig läuft und das Niveau extrem leidet.

Wir wollten auch kein Geld dafür in die Hand nehmen. So fehlt es an der Lehrerversorgung, viele Gebäude sind marode, veraltete Technik, und so weiter. Nun sagen Sie mir was die Politik machen kann oder Einfluss darauf nehmen kann. Bildung kostet Geld, doch ohne Bildung keine Wertschöpfung. Besonders in einem Land das kaum Rohstoffe hat, brauchen wir kluge Köpfe, um das zu kompensieren. Unsere Klientel ist dadurch weggebrochen. Klassische gute Hauptschüler:innen und Realschüler:innen, die sich in er Technik wiederfinden gibt es nicht mehr. Die weiterführenden Schulen buhlen sich um diese. Sie müssen die Klassen voll bekommen. Es geht um die Finanzierung. Doch ohne Fachkräfte keine Wertschöpfung und Wirtschaftsleistung. Die Folge, Aufgabe oder Verlagerung dann ist alles weg und was dann kommt?

Die Gesellschaft muss umdenken und die wahren Helden unserer Gesellschaft erkennen. Handwerker und Facharbeiter sind die Stütze der Gesellschaft und verantwortlich für unser Gemeinwohl.

Neben Ausbildung kann auch die Weiterbildung von bereits Beschäftigten eine wichtige Rolle spielen. Welche Möglichkeiten bieten Sie hierzu an?

Qualifizierung on the Job, normal. Weiterbildung durch Freistellung und durch finanzielle Unterstützung, vorübergehende Anpassung der Arbeitszeit. Es ist vieles möglich. Wenn die Weiterbildung dem Job hilft, beteiligen wir uns an den Kosten. Wir schicken gezielt Leute zu Weiterqualifizierungsmaßnahmen. Dann gibt es Bildungszeit, die in Anspruch genommen werden kann. Also eine Vielzahl an Angeboten, die wir anbieten.

Kurze Zusammenfassung: Was muss aus Ihrer Sicht in Zukunft passieren, um eine Lösung für das Problem des Fachkräftemangels zu finden?

Die Fragen wurden von Herbert Mattes, Ausbildungleiter bei der CHIRON Group beantwortet. (Bildnachweis: CHIRON Group SE)

Zuerst ein Umdenken in der Gesellschaft. Der Facharbeiter muss seine Wertigkeit in der Gesellschaft wieder bekommen. Dann die schulische Förderung von naturwissenschaftlichen, technischen Fächern wie Mathe, Physik, Chemie und Technik muss wieder mehr in den Fokus rücken. Dafür brauche ich aber auch Lehrer, die das studiert haben. Förderung der Sprache für Geflüchtete. Anpassung der Wertigkeit zwischen Akademischer und betrieblicher Ausbildung. Die Unternehmen müssen sich der Fachkräfte und deren Bedürfnisse noch mehr annehmen. Ein klares Votum von Gesellschaft, Politik und Unternehmen zu dem Berufstand der Facharbeiter und auch des Gesellen. Alles notwendige dafür tun, dass dieser Berufsstand nicht auf der Stecke bleibt. 

Kontakt:

www.chiron-group.com