Wenn Technologie inspiriert…

EMO Hannover 2013: VDMA-Kongress „Intelligenter Produzieren“ diskutiert die Potenziale moderner Produktionstechnik

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Kongresse rund um das Hype-Thema Industrie 4.0 haben Hochkonjunktur: Doch das greift zu kurz, meint der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. aus Frankfurt am Main. Unter dem Motto „Inspired by technology“ dreht sich auf dem VDMA-Kongress „Intelligenter Produzieren“ daher alles um drei Themenkreise, die gemeinsam die intelligente Produktion bestimmen: Exzellenz, Effizienz und Intelligenz.

Inspirationen aus der Autoindustrie
Die umweltschonende, nachhaltige und intelligente Produktion fest im Visier hat vor allem die Automobilindustrie. Für Dr. Hubert Waltl, Markenvorstand Volkswagen Pkw für den Geschäftsbereich Produktion und Logistik aus Wolfsburg, ist eines sicher: „Wir haben beim neuen Golf auch in Richtung Industrie 4.0 gearbeitet und Teilumfänge bereits in die Praxis umgesetzt. Dabei haben wir wichtige Erfahrungen gemacht, was es heißt, Produktionslinien in einer vernetzten Produktion zu installieren. Der Weg ist zukunftsweisend und richtig, dazu stehen wir.“

Keineswegs als Neuauflage sehen führende Forscher die „Smart Factory“. „Das Thema ist wirklich neu, denn wir haben jetzt die Möglichkeit, Dinge in die Tat umzusetzen, die vor  über einem Jahrzehnt nicht möglich waren“, sagt Prof. Dr. Thomas Bauernhansl, Leiter des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. „Wir können manche vorhandenen Konzepte und Technologien nutzen, doch es wird auch viele neue Ideen geben.“

CPS: Der rote Faden für die industrielle Produktion von morgen
Die gemeinsame Plattform Industrie 4.0 der Industrieverbände Bitkom, VDMA und ZVEI will das Thema branchenübergreifend angehen. Leiter der dafür eingerichteten Geschäftsstelle ist Rainer Glatz vom VDMA. Die vierte industrielle Revolution bezeichnet der Geschäftsführer der VDMA-Fachverbände Elektrische Automation und Software als eine Querschnittsfunktion, die alle Aspekte des IP-Kongresses auf der EMO Hannover betrifft. „Sie können die Themen Exzellenz, Effizienz und Intelligenz nicht ohne Informationstechnologie stemmen“, erklärt Glatz. „Es handelt sich um ein generelles Thema, das alle Bereiche industrieller Produktion durchdringen wird.“
Der VDMA-Fachmann spricht dabei gerne von den Cyber-Physischen Systemen (CPS), die konventionelle Produktionsverfahren mit der Informations- und Kommunikationstechnologie so miteinander verheiraten, dass Maschinen, Anlagen, Bauteile und Produkte (sprich: alle) dank Elektronik (etwa Funketiketten RFID) wie im Internet miteinander kommunizieren können. Die „Smart Factory“ bezeichnet Glatz dabei als eine der vielen „Applikationsdomänen“, die CPS im Produktionsumfeld nutzen. Glatz: „Diese Technologie lässt sich genauso im Straßenverkehr im Sinne von „smart mobility“, für Logistikprozesse aller Art als „smart logistic“ oder als „smart grid“ beim Energiemanagement nutzen.“

Umdenken auch in Sachen Energie
Ebenso wie bei Industrie 4.0 brauchen wir auch ein Umdenken in Sachen Energie – begonnen von der effizienten Nutzung über die regenerative Erzeugung bis hin zu geschlossenen Kreisläufen. Neue Ansätze dazu bieten auf dem IP-Kongress der Themenkreis „Effizienz: Nachhaltige und ressourcen-schonende Produktion“. Die Fraunhofer Gesellschaft wird darüber hinaus den neuen Stand ihrer Forschungsaktivitäten dazu auf der EMO präsentieren.

Etwas in den Hintergrund geraten sind zu Unrecht in den vergangenen Jahren „Lean Production und flexible Wertschöpfungsketten“, mit denen der Themenkreis Exzellenz die Kongressteilnehmer inspirieren will. Wie eine schlanke, intelligente und effiziente Produktion von morgen aussieht, demonstriert demnächst die neue Technologiefabrik der Festo AG in Scharnhausen, die in der Nähe des Stammsitzes in Esslingen entsteht. „Mit dem neu strukturierten Werk verwirklicht Festo ein Vorzeigeobjekt, in dem es den optimalen Material- und Wertschöpfungsfluss darstellt“, blickt Vorstandsvorsitzender Dr.-Ing. Eberhard Veit in die Zukunft. „Gleichzeitig machen wir unsere Innovationskraft sichtbar, indem wir die räumlichen Voraussetzungen für integrierte Technologie- und Produktentwicklungen schaffen. Außerdem werden wir durch die optimierten Abläufe und neu ausgerichteten Kernprozesse die Produkteinführungszeit (Time-to-market) deutlich verbessern.“
Die Details der Technologiefabrik können Besucher erst nach der Eröffnung im Jahr 2014 erkennen, doch eines dürfte feststehen: Außer einem gehörigen Stück Industrie 4.0 dürfte auch hier wieder Bionik im Spiel sein.  Ganz getreu dem schwäbisch pragmatischen Credo von Dr. Veit, der Anfang des Jahres Industriekollegen beschwor:  „Wir sollten jetzt nicht lange drum herum schwätzen, sondern mit der Umsetzung von Industrie 4.0 anfangen.“ Erste Einblicke in die Festo-Strategie vermittelt Prof. Dr. Peter Post, Leiter Corporate Research & Programme Strategy, der auf dem IP-Kongress „Inspired by technology“ „lernfähige Systeme für die intelligente Produktion“ vorstellen wird.

Neue Rolle für Personalplanung
Unabhängig davon, ob es sich bei den Fabriken der Zukunft um eine Smart Factory, Lean Production oder um ein E³-Werk handelt, sie besitzen einen gemeinsamen Nenner: Ohne hochqualifizierte Mitarbeiter und eine entsprechende Einsatzplanung läuft nichts. Dieses Problem soll ein Projekt der Bundesregierung  im Rahmen der Industrie 4.0-Initiative lösen. Ziel ist die vernetzte, flexible und selbstorganisierte Kapazitätsflexibilität in Cyber-Physischen-Systemen (KapaflexCy),  mit der Unternehmen ihre Produktionskapazitäten gemeinsam mit den Mitarbeitern kurzfristig, bedarfsorientiert und unternehmensübergreifend regeln können. An dem Projekt beteiligen sich unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart (Fraunhofer IAO) Partner aus der Industrie wie SAP Research und die SAP MES Experten von Trebing & Himstedt Prozeßautomation GmbH & Co. KG aus Schwerin.

Ulf Kottig, Senior Marketing Manager Manufacturing Integration bei Trebing & Himstedt:  „Es geht darum, wie sich der Trend zu Losgröße eins und der damit erforderlichen Flexibilisierung der Produktion nicht mehr nur mit Überstunden oder Leiharbeitern, sondern vor allem mit einem bestehenden Team und der Hilfe von Internetkommunikation abfedern lässt.“ Dazu entwickelt das KapflexCy-Team zum Beispiel Apps für mobile Endgeräte, über die Mitarbeiter eine Einsatzanfrage mit exakten Angaben etwa zum Arbeitsinhalt, Auftrag und zum Kunden sowie zur Bezahlung empfangen. Um aktuelle Entwicklungen in der Produktion kennenzulernen, werden die Schweriner auf der EMO Hannover 2013 intensiv recherchieren.

Mehr unter: www.vdma.org/ip