Mit automatisierter Spanntechnik Fachkräftemangel kompensieren

Wie die Fertigung dank Automatisierung prozesssicherer, effektiver und kostengünstiger wird, zeigen Spanntechnikspezialisten auf der AMB vom 10. bis 14. September 2024 in Stuttgart.

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Bild: Roemheld

Zwar verzeichnet die Präzisionswerkzeug-industrie für das vergangene Jahr ein nominelles Umsatzwachstum von 3 Prozent. Doch der weiter zunehmende Kostendruck hält die Branche auch 2024 in Atem. Zudem wachsen die Ansprüche im Hinblick auf immer kleinere Produktionsserien, höhere Flexibilität und kürzere Lieferzeiten. Deshalb – und auch mit Blick auf den Fachkräftemangel, ist die Automatisierung in der Fertigung nicht mehr wegzudenken. Wie Spanntechnikspezialisten diesen Herausforderungen mit smarten Lösungen begegnen, zeigen sie auf der AMB, der Leitmesse der Metallbearbeitung in Stuttgart vom 10. bis 14. September 2024.

Smart Automation im Einsatz: Das robotergeführte Beladesystem mit automatisiertem Werkstückhandling erhöht die Produktivität. Quelle: ANDREAS MAIER GmbH Co. KG

Mit automatisiertem Werkstückhandling gegen den Fachkräftemangel

Besonders die kleinen und mittleren Unternehmen ringen um Fachkräfte. Dem begegnen die Kunden der ANDREAS MAIER GmbH & Co. KG(AMF) mit einer Lösung für das automatisierte Werkstückhandling von Dreh- und Fräsmaschinen. Das Smart Automation genannte flexible Roboter-Beladesystem wurde mit dem Ziel entwickelt, bestehende Maschinen effektiver zu nutzen, statt neue zu kaufen.

„Das ist kosteneffizient. Denn die Anschaffung amortisiert sich durchschnittlich nach neun Monaten“, sagt Manuel Nau, Verkaufsleiter bei den Fellbachern, und ergänzt: „Damit wird auch die mannlose Fertigung und folglich die Ausweitung von meist zwei auf drei Schichten möglich.“ Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist dies essenziell. Zudem können Anwender das intuitiv zu bedienende Roboter-Beladesystem in jeden bestehenden Maschinenpark einfach einbinden. Das ist auch möglich, wenn nur wenig Raum zur Verfügung steht, weil die kompakte Lösung gerade mal einen knappen Quadratmeter beansprucht – und der ist auch im kleinsten Zerspanungsbetrieb verfügbar. Einmal integriert, erhöht die Lösung nicht nur die Maschinenlaufzeit um ein Drittel, sondern auch Produktivität und Maschinenauslastung: Beim Drei-Schicht-Betrieb an 250 Arbeitstagen im Jahr steigt letztere von 46 Prozent auf satte 68 Prozent. Dabei gehören die Probleme in Bezug auf immer kleinere, variantenreichere Stückzahlen der Vergangenheit an. Schließlich verfügt der Werkstückwagen über bis zu zehn Schubladen, in denen unterschiedliche Teilegeometrien Platz finden. Die Schubladen öffnet und schließt der am Wagen befestigte Roboterarm. Dieser greift und wendet unterschiedliche Geometrien und führt sie der Bearbeitung zu. Danach entnimmt der Roboter das bearbeitete Teil, führt dank Doppelgreifer buchstäblich im Handumdrehen gleich das nächste Werkstück der Bearbeitung zu und legt das Fertigteil in die Schublade.
Die Lösung wird auf der AMB 2024 zu sehen sein. Wer sich vorab ein Bild machen möchte, kann dies auf YouTube tun.

Elektrische Mediendurchführung in Aktion: Interessierte können sich in Stuttgart überzeugen, wie STARK.eMD die Prozesssicherheit steigert. Quelle: ROEMHELD-Gruppe

Auch Philipp Ehrhardt, Geschäftsführer der ROEMHELD-Gruppe, sieht den Fachkräftemangel als drängende Herausforderung und in der Automatisierung großes Potenzial. „Viele Unternehmen, gerade KMU, finden keine Fachkräfte. Daher sollte sich das vorhandene Personal viel mehr auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können und sich weniger mit Rüstzeiten aufhalten müssen. Das ist zentral für die Wettbewerbsfähigkeit aller produzierender Unternehmen“, mahnt Ehrhardt. Um dies zu ermöglichen, fokussiert der Spanntechnikspezialist auf Lösungen für die mannlose Fertigung, die die Prozesssicherheit erhöhen und gleichzeitig die Effizienz steigern. Mit STARK.eMD schließt die Firmengruppe eine Lücke zwischen Maschinentisch und Wechselplatte mit sensorischen Spannmitteln. Denn die Überwachung der Werkstückspanntechnik (wie Maschinenschraubstöcke) ist Ehrhardt zufolge insbesondere bei beweglichen, schwenkbaren Maschinentischen noch nicht weit verbreitet. Die neue Plug-and-Play-Lösung hingegen realisiert die Mediendurchführung für elektrische Signale und ermöglicht die durchgehende Digitalisierung und Kommunikation der Spannmittel.

Speziell für CNC-Bearbeitungszentren konzipiert, überträgt STARK.eMD digitale (etwa IO-Link) und analoge Signale, wie Druck, Position oder Temperatur per integrierter Multi-Medienkupplung. Dabei trägt die Multi-Medienkupplung ihren Namen nicht umsonst, denn sie ist auch mit Öl und Druckluft kombinierbar. Weitere Sensoren etwa für die Weg- und Kraftmessung sind für Anwender spielend einfach implementierbar. Wer sich von den Systemen für das automatisierte Rüsten von Paletten und Vorrichtungen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Werkstücke bewältigen, überzeugen möchte, findet diese am ROEMHELD-Stand auf der AMB in Stuttgart.

Der automatisierte Spannmittelwechsel steigert die Prozesssicherheit. Quelle: Hainbuch GmbH

Kleine Losgrößen: Automatisierte Spanntechnik erhöht Effizienz

Vermehrte Individualisierung, kleine Losgrößen und die damit verbundenen erhöhten Rüstzeiten erfordern neue Technologien, damit Präzisionswerkzeugkunden die Kostensteigerungen abfangen und wettbewerbsfähig bleiben können. Betriebe, die Werkstücke mit unterschiedlichen Anforderungen an Spanndurchmesser, -profile und Einfuttertiefen herstellen, können sich Einbußen an Präzision und Wiederholgenauigkeit nicht leisten. „Die gestiegenen Anforderungen gepaart mit dem Fachkräftemangel verlangen geradezu nach Automatisierung“, sagt Stefan Nitsche, Bereichsleiter Hauptprodukte bei der Hainbuch GmbH aus Marbach. „Manuell ist das in Zukunft nicht mehr leistbar.“

Deshalb konzentrieren sich die Marbacher seit Jahren unter anderem auf die Entwicklung automatisierter Schnellwechselschnittstellen mit integriertem Schmutz- und Späne-Reinhaltungskonzept und sensorischen Spannmitteln, die sie auf der diesjährigen AMB in Stuttgart zeigen werden. Die clevere Schnellwechselschnittstelle centroteX AC etwa sorgt für Prozesssicherheit in der mannlosen Fertigung. Dank ihr wird das Spannmittel äußerst präzise und schnell ausgewechselt und für die neue Werkstückbearbeitung gerüstet. Brauchten Anwender dafür manuell bislang mehr als eine halbe Stunde, setzt die Lösung dies bei einem Spannmittelwechsel automatisiert binnen weniger Minuten um. Die eingesparte Zeit steigert die Effizienz – und dies vor allem bei mehreren Spannmittelwechseln pro Tag deutlich. Kombiniert mit den sensorischen IQ Spannmitteln, überwacht die Spanntechnik zentrale Parameter wie Spannkraft, Werkstückanlage und -durchmesser, Temperatur sowie Drehzahl und hält das gesamte System stabil. Sogar autonome Fertigungen sind umsetzbar: Zusammen mit der WTO Werkzeug-Einrichtungen GmbH hat der Spannmittelspezialist beispielsweise einen Fertigungsprozess realisiert, bei dem sich die gesamte Fertigungslinie autonom umrüstet. Mitarbeitende stellen lediglich die Spannmittel und die Rohteile bereit und können die gewonnene Zeit anderen wertschöpfenden Tätigkeiten widmen.

Integrierte Sensorik bietet mehr Prozesssicherheit

Bei den elektromechanischen Kraftspannblöcken erfolgt die Signalverarbeitung ausschließlich im Spannmittel. Quelle: SCHUNK

Dass sich immer mehr Anwender größere Transparenz im Fertigungsprozess wünschen, erfahren auch die SCHUNK-Experten aus Lauffen und Mengen täglich. „Sowohl die Spanntechnik als auch die Werkzeughalter müssen den Anwendern einen Mehrwert bieten, indem sie Prozessdaten in Echtzeit liefern“, sagt Markus Michelberger, Head of Sales Clamping Technology bei SCHUNK, und ergänzt: „Nur so können Hersteller zukünftig die geforderte Prozesssicherheit und Qualität sicherstellen.“

Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels will das Unternehmen der Zeit immer einen Schritt voraus sein. „Je weniger Personal es gibt, desto mehr muss die Maschine können. Aber nicht jeder Anwender hat heute eine nagelneue Maschine in seiner Produktion. Deshalb nehmen wir bei der Produktentwicklung bereits die künftigen Anforderungen an Spanntechnik und Werkzeughalter in den Blick“, beschreibt Matthias Brenner, Head of Sales & Product Management Toolholder bei SCHUNK. Ihm zufolge können Anwender die Lösungen in bestehende Maschinenparks einfach einbinden. Diese nachrüstbaren sensorischen und elektromechanischen Spannsysteme kommunizieren über IO-Link und werden mittels Feldbussystem in die Maschinensteuerung eingebunden. Dabei sind die elektromechanischenSpannsysteme mit einer Netzspannung von 24 Volt sehr energieeffizient. „Mit unseren Systemen erhöhen wir auch die Nachhaltigkeit im gesamten Prozess“, sagt Brenner. Denn die automatisierten System-Komponenten verringern den Ausschuss, senken den Energieverbrauch und steigern die Effizienz. Ein Anwender beispielsweise konnte durch den Einsatz des intelligenten Werkzeughalters iTENDO² die Bearbeitungszeit um 40 Prozent reduzieren. Hochgerechnet auf ein Jahr spart er damit etwa 22.000 Euro und 1,4 Tonnen CO ² ein. Auf der AMB 2024 können sich Interessierte bei SCHUNK in Halle 1, Stand 1G30 die Plug-and-Play-Lösungen mit vollintegrierter Elektronik demonstrieren lassen.

VDMA-Technologieforum vom 10. bis 14.09.2024

Der VDMA wird an seinem Stand (Halle 1, VDMA-Lounge, Stand 1B50) auf der AMB wieder das bewährte Technologieforum mit zahlreichen Vorträgen zu aktuellen Trends veranstalten. Mitglieder des VDMA-Fachverbands Präzisionswerkzeuge – darunter auch verschiedene Interviewpartner – stellen in Kurzvorträgen technische Anwendungsbeispiele rund um die Zerspanung und Spanntechnik, die Mess- und Prüftechnik sowie die Digitalisierung vor. Die Präsentationen werden auch Einblicke in die Arbeit von und mit Startups sowie in Forschungsprojekte geben.

Die AMB, Leitmesse der Metallbearbeitung, findet vom 10. bis 14. September 2024 in Stuttgart statt.

Quelle: VDMA Präzisionswerkzeuge