Nachhaltiger mit innovativer Spanntechnik

Wie kann der Zerspanungsprozess nachhaltiger gestaltet werden und welchen Einfluß hat dabei die Werkzeugspannung? Der Spanntechnikspezialist HAIMER aus Igenhausen hat bei dieser Thematik den Gesamtprozess im Auge.

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HAIMER investierte in eine ökologische Infrastruktur. Damit werden pro Jahr mehr als 250 Tonnen an CO2 eingespart. Bild: HAIMER

Wie kann der Zerspanungsprozess nachhaltiger gestaltet werden und welchen Einfluß hat dabei die Werkzeugspannung? Der Spanntechnikspezialist HAIMER aus Igenhausen hat bei dieser Thematik den Gesamtprozess im Auge.

Nachhaltigkeitsbetrachtungen sind derzeit „in“. Da macht die Zerspanung und das dafür eingesetzte Equipment keine Ausnahme. Gerne werden einzelne Elemente – wie zum Beispiel die Werkzeugspannung – betrachtet. Doch wer wirklich nachhaltig agieren möchte, sollte sich nicht zu sehr auf solche Details fokussieren, da er sonst womöglich Vorteile im Gesamtprozess übersieht.

Nachhaltigkeit ist ein Thema, das uns völlig zurecht mehr und mehr beschäftigt. Die Ressourcen sind begrenzt, und Energie wird immer teurer. Bei der Bewertung von Nachhaltigkeit gilt es den Fokus nicht zu eng auf ein Produkt zu richten, sondern auch das Umfeld zu betrachten – den Produktlebenszyklus und auch den Gesamtprozess, in den das betrachtete Produkt eingebunden ist.

Wie sieht Nachhaltigkeit in der Zerspanung aus?

Die Metallzerspanung hat viele Facetten. Abhängig vom Werkstoff, der Bauteilgeometrie und den Stückzahlen kommen unterschiedlichste Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel zum Einsatz. Zudem sind äußere Umstände wie der Produktionsstandort, die Qualifikation der Mitarbeiter und auch eine mögliche Automatisierung zu beachten. So gibt es viele verschiedene Fertigungsmöglichkeiten, die je nach Einzelfall die beste, wirtschaftlichste und nachhaltigste Lösung sein können. Hier nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, ist schwierig.

Wie bemisst sich Nachhaltigkeit? Wenn man von den eingesetzten Materialien absieht, dürfte die Energieeffizienz der wesentliche Faktor sein, der einen nachhaltigen Prozess bestimmt. Daher ist ein vielversprechender Ansatz, nach den größten Verbrauchern Ausschau zu halten und deren Einsatz zu optimieren.

Die Werkzeugmaschine bietet Einsparpotential

Andreas Haimer, President der HAIMER Group, mit einem neuen Hybrid Chuck: „Wir haben ein sehr breites Angebot an verschiedenen Werkzeugaufnahmen. Darunter sind vielerlei Schrumpffutter, aber auch Hydrodehnspannfutter. Auf der EMO haben wir mit dem HAIMER Hybrid Chuck eine Weltneuheit vorgestellt. Es vereint die schwingungsdämpfenden Eigenschaften eines Hydrodehnspannfutters mit denen eines hochpräzisen Hochleistungsschrumpffutters und eröffnet dadurch viele Möglichkeiten, den Zerspanungsprozess noch effizienter und nachhaltiger zu gestalten.“ Bild: HAIMER

In der Zerspanung ist dies zweifellos die Werkzeugmaschine, die mit ihren Spindel- und Achsantrieben, mit Peripherie und Nebenaggregaten wie Kühlung, Schmierung oder Druckluftversorgung einen Löwenanteil der eingesetzten Energie verschlingt.

 

Bei Neuanschaffungen kann der Anwender den Verbrauch erheblich senken, in dem er auf energiesparsame Komponenten achtet. Andreas Haimer, Geschäftsführer und President der HAIMER Group, dem Marktführer im Bereich Werkzeugspanntechnik, erklärt: „Wir haben in unserer eigenen Fertigung die Erfahrung gemacht, dass durch den Austausch eines alten gegen ein neues Bearbeitungszentrum mit dem gleichen Bearbeitungsprozess rund 30 Prozent weniger Energie benötigt wurde.“ Er ergänzt noch einen grundsätzlichen Faktor: „Als Familienunternehmen achten wir sehr stark auf Nachhaltigkeit. Zum Beispiel beziehen wir unseren Werkzeugstahl aus Deutschland, setzen seit Jahren ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien ein und investieren in PV-Anlagen und grüne Infrastruktur. Gesamt haben wir hierfür im letzten Geschäftsjahr über eine Million Euro investiert und über 250 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart.“

Zurück zum Maschinenpark, wo sich nicht jedes etwas ältere Bearbeitungszentrum durch ein neues ersetzen lässt. Auch im Zerspanungsprozess lassen sich Einsparungen erzielen, zum Beispiel durch den Einsatz CAD/CAM-optimierter Bearbeitungsstrategien wie trochoidales Fräsen. Andreas Haimer hat ein konkretes Beispiel parat: „Ein Kunde stellte uns Daten zur Verfügung, wie er durch trochoidales Fräsen mit unseren HAIMER Power-Schrumpffuttern und HAIMER MILL Fräsern die Bearbeitungszeit im Vergleich zur Bearbeitung mit einem Messerkopf um 75 Prozent von 71 min auf 18 min pro Bauteil senken konnte. Mit der Änderung der Bearbeitungsstrategie ging eine Energieeinsparung durch deutlich weniger Stromverbrauch einher. Während bei der herkömmlichen Bearbeitung mit Messerkopf für 10 Bauteile die Spindellast bei 80-85% lag und dadurch die Energiekosten bei gesamt ca. EUR 150.-, konnten mit der trochoidalen Frässtrategie bei einer Spindellast von 8-10% und bei deutlich geringerer Maschinenlaufzeit die Energiekosten auf gesamt EUR 5.- für 10 Bauteile gedrückt werden. Das bedeutet wiederum eine höhere Ausbringung bei geringerem Energieaufwand pro produziertem Teil – das nenne ich nachhaltig und effizient.“

Von rechts: Claudia Haimer, Kathrin Haimer und Andreas Haimer stehen für ein nachhaltiges und innovatives Familienunternehmen.

Die Nachhaltigkeit der Werkzeugspannung

Eine Frage, die seit einigen Monaten immer wieder aufgegriffen und diskutiert wird, lautet: Wie nachhaltig ist welche Werkzeugspannmethode? Angesichts eines Bearbeitungsprozesses, bei dem die Fräsmaschine durchschnittlich etwa 30 kW verbraucht, zuzüglich der Leistung von hydraulischen und pneumatischen Vorrichtungen, von Automatisierungseinrichtungen sowie Robotern, spielt die Werkzeugspannung nur eine untergeordnete Rolle. Denn die Werkzeugaufnahme ist ein vergleichsweise kleines Detail, selbst wenn der Spannvorgang mit einem Schrumpffutter marginal Energie verbraucht.

Eine gesamtheitliche Betrachtung

Der Energieverbrauch beim Schrumpfen ist im operativen Einsatz höher als beim hydraulischen Spannen. Wenn man den gesamten Produktlebenszyklus einer Spannaufnahme betrachtet, zu dem die Herstellung, Wartung und Entsorgung zählen, ergibt sich ein ganz anderes Bild.

Die Herstellung eines Hydrodehnspannfutters benötigt aufgrund des komplizierteren Aufbaus deutlich mehr Aufwand und Energie. Denn zur hochpräzisen Zerspanung einzelner Komponenten kommt noch das Einlöten der Dehnhülse, eine zusätzliche Wärmebehandlung, damit die Lötstelle nicht bricht, sowie der Aufwand für Reinigung, Montage und das Befüllen mit Öl. „Aus unserer Erfahrung ist der energetische Aufwand bei der Produktion rund dreifach so hoch wie beim Schrumpffutter“, erklärt Andreas Haimer. „Wir haben in unserem breiten Portfolio neben Schrumpfaufnahmen auch Hydrodehnspannfutter, deren Listenpreise aufgrund der aufwendigen Herstellung allerdings beim zwei- bis dreifachen eines Schrumpffutters liegen. Für bestimmte Anwendungen sind sie die richtige Lösung. Nur nachhaltiger sind sie nicht. Unsere Analysen haben ergeben, dass ein Hydrodehnspannfutter in der Herstellung ca. 25 kWh mehr Energie benötigt als ein Schrumpffutter. Im Umkehrschluss bedeutet das auf den Produktlebenszyklus bezogen, dass man eine Schrumpfaufnahme bei einem Energiebedarf von 0,026 kWh pro Schrumpfung und Kühlung fast 1.000 Mal schrumpfen kann, bevor man mehr Energie benötigt als beim Hydrodehnspannfutter.“

Lebenszyklus und Prozesssicherheit sind entscheidend

Zum erhöhten Herstellungsaufwand kommt noch der Unterschied bezüglich der Wartung. Während Haimer Schrumpffutter durch die besonders hohe Güte des Warmarbeitsstahls wartungsfrei sind und in Kombination mit der patentierten Haimer Spulen- und Gerätetechnik unbegrenzt oft ein- und ausgeschrumpft werden können, müssen Hydrodehnspannfutter aufgrund des Verschleißes zur Kontrolle der Spannkraft, der Schmierung der Spannschraube und einer regelmäßigen Wartung des Futters spätestens alle 2-3 Jahre zurück zum Hersteller. Die enthaltene Hydraulikflüssigkeit macht auch die umweltgerechte Entsorgung schwieriger als bei Schrumpfaufnahmen, die keinerlei zusätzliche Komponenten enthalten. Neben dem Lebenszyklus weist auch das Thema der Prozesssicherheit signifikante Unterschiede auf: im Falle der Trockenbearbeitung oder mangelnder Kühlung im Zerspanungsprozess bergen Hydrodehnspannfutter aufgrund der hohen Hitzeentwicklung die Gefahr des Platzens der Spannkammern samt Werkzeugauszug und Ausschussrisikos. Schrumpffutter sind hier robuster und strapazierfähiger; will man einen Werkzeugauszug komplett ausschließen, gibt es bei Schrumpffuttern optional das Haimer Safe-Lock System für 100% Sicherheit.

Energieverbrauch relativiert sich

Doch wie berechnet sich der Energieverbrauch beim Schrumpfvorgang wirklich? Das Erwärmen eines Schrumpffutters dauert mit einem aktuellen HAIMER Schrumpfgerät etwa 5 Sekunden. Geübte Anwender schrumpfen in einem Arbeitsgang ein verschlissenes Werkzeug aus und ein neues Werkzeug ein. Es wird also nur einmal erwärmt und gekühlt. Die Leistung eines HAIMER Power Clamp Geräts mit der patentierten NG-Spule liegt bei maximal 13 kW, im Durchschnitt jedoch bei 8 kW. Damit verbraucht man bei einem einzelnen, kompletten Schrumpfvorgang etwa 0,011 kWh. Hinzu kommt das Kühlen mit etwa 0,015 kWh – obwohl bei Haimer Geräten bis zu fünf Aufnahmen parallel und in der gleichen Zeit mit dem nahezu gleichen Energieverbrauch gekühlt werden können. Im worst case ergibt sich also summa summarum 0,026 kWh für den gesamten Prozess. Wenn eine Kilowattstunde 20 Cent kostet, fallen für das Schrumpfen und Kühlen eines Werkzeugs marginale 0,5 Cent an.

Und wie ist der Energieaufwand einzuordnen, wenn man den Bearbeitungsprozess betrachtet, bei dem die Leistungsaufnahme einer Fräsmaschine mit allen Hilfsantrieben rund 30 kW beträgt? Gesetzt den Fall, dass ein Werkzeug ca. 1 Std. im Einsatz ist und, dass durch die hohe Rundlaufgenauigkeit und Steifigkeit oder durch die aufgrund der schlanken Kontur verbesserten Frässtrategien sich auch nur ein Prozent der Bearbeitungszeit einsparen lässt, wären das 0,3 kWh an eingesparter Energie. Das ist ungefähr der 11-fache Wert des Energieeinsatzes fürs Schrumpfen.

Andreas Haimer fasst zusammen: „Der Energieverbrauch pro Spannvorgang spielt eine vernachlässigbare Rolle im Vergleich zu den Themen Lebenszyklus, Prozesssicherheit und Bearbeitungsstrategie. Durch moderne CAD/CAM optimierte Frässtrategien können 75 Prozent Bearbeitungszeit eingespart werden. Auf derart verbesserte Prozesse müssen sich Zerspaner konzentrieren, wenn sie nachhaltig und produktiv sein wollen. Und im zweiten Schritt sollten sie für diese Strategien die am besten geeignete und prozesssicherste Werkzeugaufnahme auswählen. Gegenüber den dadurch realisierbaren Einsparungen ist ein Nachhaltigkeitsvergleich von Schrumpf- und Hydrodehnspannfutter eine Erbsenzählerei.“

Kontakt:

www.haimer.com