Implantat-Herstellung wirtschaftlicher gestalten

Wie gelingt die wirtschaftliche spanende Herstellung von Implantaten mit multifunktionalem sowie unrund-bionischem Design? Dieser Frage gingen die Paul Horn GmbH, INDEX, die Beutter Präzisions-Komponenten GmbH sowie das wbk Institut für Produktionstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gemeinsam nach.

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Das Rotationsunrunddrehen ermöglicht eine hochproduktive Fertigung von unrunden Außenkonturen. (Bildnachweis: HORN/Sauermann)

Moderne medizinische Implantate für die Orthopädie, Traumatologie und Dentaltechnik zeichnen sich durch hohe Anforderungen an die Festigkeit, Biokompatibilität sowie bionisch-optimierte Geometrie aus. Die Geometrie eines Implantats wird an Knochen und Gewebe angepasst. Hierbei erhalten die Funktionsflächen der Implantate ein immer ausgereifteres Design, um die Befestigung im Körper zu erleichtern und für den Patienten schonender auszuführen.

Die neuen Designs der Implantate treiben die Herstellkosten in die Höhe, da die Flächen nicht mehr kreisrund oder eckig sind. Sie weisen mehr geschwungene Flächen und Funktionselemente mit kontinuierlichen Übergängen auf kleinstem Raum auf. Insbesondere die Notwendigkeit mehrerer Fertigungsschritte auf unterschiedlichen Maschinen lässt die Kosten deutlich steigen. Beispielsweise stellt das präzise Handling für exaktes Wiedereinspannen eines Werkstücks einen erheblichen Kostenfaktor dar. Deswegen wird trotz der hohen Funktionsintegration eine kompakte Prozesskette für die wirtschaftliche Herstellung angestrebt.

Neuartige Prozesse

Die neuartigen Fertigungsverfahren Rotationsunrunddrehen, Polygondrehen und Dreh-Wirbelfräsen basieren alle auf dem gleichen kinematischen Prinzip mehrerer synchronisiert rotierender Achsen. Während dieses Prinzip altbekannt ist, ist die Anwendung auf unrunde und geschwungene Formen hochgradig anspruchsvoll. Gleichzeitig muss die praktische Umsetzung die hohen Qualitätsanforderungen der Medizintechnik erfüllen.

Die Projektpartner erforschten und entwickelten die neuartigen Fertigungsverfahren entlang der gesamten Prozess- und Lieferkette, von der Maschinen und Steuerungstechnik, über das Werkzeugdesign zum Prototypen- und zum Vorserienprozess. Die Fertigungsprozesse wurden aufbauend auf bekannten Verfahren mit gleichen mathematischen Grundlagen simuliert und ausgelegt, um die Anforderungen an Werkzeug und Maschine zu bestimmen. Die Versuche waren in Analogieversuche unter Laborbedingungen sowie Vorserienerprobungen in Labor- und anwendungsnahen Umgebungen gestaffelt. Dabei lag für die Entwicklung und Auslegung der einzelnen Prozesse sowohl die Maschinen- als auch die Werkzeugtechnik im Fokus der Ingenieure.

 

Beim Rotationsunrunddrehen wird ein rotierendes unrundes Werkzeug unter Lagekopplung an einem rotierenden Werkstück entlanggeführt. Die Drehzahlen sind hierbei in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gebracht. Die unrunde Form bildet sich dadurch innerhalb bestimmter Grenzen auf dem Bauteil ab. Das Verfahren bietet eine hochproduktive Fertigung von unrunden Außenkonturen. Durch das drehende Werkzeug verringert sich zudem die thermische Belastung der Werkzeugschneide, was für hohe Standzeiten sorgt. Das Verfahren ermöglicht zudem die Herstellung von konischen Profilübergängen.

Das Polygondrehen ist ein Verfahren für die Herstellung von unrunden Außen- und Innenkonturen mit der Form einer Hypotrochoide. Ebenso wie das Rotationsunrunddrehen bietet der Prozess die Möglichkeit, unrunde Konturen auf Drehmaschinen herzustellen. Im Prozess stehen die parallelen Achsen des Werkstücks und des Werkzeugs um einen Achsabstand zueinander versetzt und sind unter Lagekopplung in ein bestimmtes Drehzahlverhältnis gebracht. Der Achsabstand, das Drehzahlverhältnis von Werkstück zu Werkzeug und der Flugkreis der Schneide definieren die Abmessung der Kontur. Ein Werkzeugsystem zum Polygondrehen ist individuell auf die jeweils herzustellende Kontur des Werkstücks abgestimmt.

Das Dreh-Wirbelfräsen ist ein hochproduktiver Prozess für das Fertigen von Gewinden für Knochenschrauben. Dabei sind ein oder zwei Zirkularfräser in einem bestimmten Winkel gegenüber dem Werkstück angestellt. Die Drehrichtungen der Fräser und des Werkstücks können gleich oder entgegengesetzt sein. Das Drehzahlverhältnis des Werkstücks zu den beiden Fräsern hängt von der Anzahl der Gewindegänge und der Anzahl der Schneiden der Fräser ab. Durch Dreh-Wirbelfräsen lassen sich erstmals auch Gewinde mit echter variabler Steigung durch dynamische Änderung des Gewindeprofils wirtschaftlich herstellen.

Seriennahe Versuche erfolgreich

Mit erfolgreichen Versuchen im seriennahen Umfeld sind die Verbundpartner des Projektes ZykloMed dem Ziel des Forschungsvorhabens, der wirtschaftlichen Herstellung von Implantaten mit multifunktionalem sowie unrund bionischem Design, einen großen Schritt näher gekommen. Die Ingenieure stellten unter Beweis, dass die synchronisiert-zyklischen Fertigungsverfahren eine wirtschaftliche Fertigung von modernen Implantaten ermöglichen. Neben der Herstellung neuer Bauteilgeometrien bieten die Prozesse auch Optimierungspotenzial für die wirtschaftliche Fertigung bestehender Implantate, sowie Anwendungsmöglichkeiten über die Medizintechnik hinaus.

Kontakt:

www.horn-group.com