Zeitgemäß zum richtigen Personal

Beim Verband der Deutschen Drehteile-Industrie ist man sich einig: Gängige Recruiting-Methoden funktionieren nicht mehr. Doch wie geht es dann? Anregungen für erfolgreiche Recruiting-Maßnahmen bekamen die Unternehmen in einem Vortrag auf der Herbsttagung des Verbands im Oktober 2022.

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Gutes Personal zu finden, ist schwer. Deshalb gehen die Mitglieder des Verbands der Deutschen Drehteile-Industrie jetzt zum Teil neue Wege. (Bildnachweis: SkyLine – stock.adobe.com)

Gutes Personal zu finden, ist schwer – darin sind sich die Verbandsmitglieder einig. Und sie haben gelernt, dass gängige Methoden nicht mehr funktionieren. „Wir müssen uns viel mehr um potenzielle Bewerberinnen und Bewerber bemühen als früher und unsere Personalgewinnungsstrategien überdenken“, bestätigt Anita Wessinger,

Anita Wessinger, Personalleiterin, Erich Lacher Präzisionsteile GmbH & Co. KG, Pforzheim (Bildnachweis: Erich Lacher Präzisionsteile GmbH & Co. KG)

Personalverantwortliche bei der Erich Lacher Präzisionsteile GmbH & Co. KG. Für sie spielen die sozialen Medien eine große Rolle, weil sich die Zielgruppe darin bewegt. Die Personalerin verzichtet sogar auf Qualifikationsnachweise oder ausführliche Lebensläufe, um mit den Bewerbern schnell und einfach ins Gespräch zu kommen.

„Wenn wir Potenzial sehen und es zwischenmenschlich passt, stellen wir auch unzureichend qualifiziertes Personal ein und qualifizieren es dann intern weiter“, erzählt sie. Hilfe holt sich Anita Wessinger bei sogenannten Social-Recruiting-Dienstleistern, nutzt aber auch Zeitarbeitsfirmen oder mit eher mäßigem Erfolg Personalvermittler.

„Wir bekommen noch Resonanz auf Printanzeigen in der Regionalpresse und auf Stellenausschreibungen im Netz. Ansonsten empfehle ich die sozialen Medien und einschlägige Veranstaltungen der Metallindustrie“, ergänzt sie.

Flexibel auf die andersdenkende Generation reagieren

Möglichst viele Kanäle zu nutzen und flexibel auf die Generation Z zu reagieren, sind die Empfehlungen von Andreas Zumkeller, dem Geschäftsführer der EZU-Metallwaren GmbH & Co. KG. Er weiß außerdem: „Printmedien spielen für unsere Personalsuche so gut wie keine Rolle mehr, da ist kein Dialog möglich.“

Andreas Zumkeller, Geschäftsführer, EZU-Metallwaren GmbH & Co. KG, Königsheim (Bildnachweis: EZU-Metallwaren GmbH & Co. KG)

An erster Stelle wird er nach dem Gehalt gefragt, dann nach flexiblen Arbeitszeitmodellen, 4-Tage-Woche, Elternzeit usw. „Wir müssen unser Recruiting anpassen, da reichen keine Allgemeinsätze mit gerechter Entlohnung und Sozialleistungen aus“, bestätigt Zumkeller. Unterstützen lässt sich der Geschäftsführer von Marketing-Profis und Online-Experten.

Mehr oder weniger komplett auf professionelle Hilfe greift Patrick Weber von der Paul Weber GmbH & Co. KG Drehteile zurück. Der Geschäftsführer hat sich bewusst von den eher altmodischen und mehr oder weniger erfolglosen Methoden verabschiedet und sich für das Handy-Recruiting entschieden – eine Mitarbeitersuche über Social Media, die gezielt auf Handy-Nutzer abgestimmt ist.

Sein Fazit: „Wir mussten uns erst mal auf die neuen Medien einstellen, das hat gedauert. Dann konnten wir die geeigneten Plattformen aussuchen und sind jetzt seit einem Jahr dabei, die Accounts anzupassen“.

Für den Online-Auftritt empfiehlt er, unbedingt gutes und eigenes Fotomaterial zu verwenden. Knackpunkt sei aber eine sattelfeste IT-Abteilung, die sich mit den erforderlichen Freigaben auskennt und den digitalen Kalender in Outlook bedienen kann. Dort werden nämlich automatisch die Termine für die Bewerbungsgespräche eingestellt.

Handy-Recruiting für schnellen und einfachen Kontakt

Patrick Weber, Geschäftsführer, Paul Weber GmbH & Co. KG Drehteile, Bösingen (Bildnachweis: Paul Weber GmbH & Co. KG Drehteile)

Den großen Vorteil des Handy-Recruitings sieht Patrick Weber darin, dass der Vorgang deutlich schneller und einfacher ist. „Die potenziellen Bewerberinnen und Bewerber beantworten im ersten Schritt lediglich ein paar Fragen und werden dann – bei Eignung – schon zum telefonischen Bewerbungsgespräch eingeladen“, beschreibt er.

„Seine“ Experten in Sachen Handy-Recruiting sind Christina Weidinger und Michael Lichtenegger von EMPLOYEE4YOU. Sie erläutern im Interview, wie Unternehmen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber erreichen und begeistern können.

Herr Lichtenegger, Sie vergleichen die Personalsuche in Unternehmen mit dem Angeln. Wo sind denn die dicksten Fische, und wie bekommt man diese an den Haken?

Unternehmen wollen die besten Arbeitskräfte an Land ziehen. Leider gibt es aber wenige Fische und dafür umso mehr Angler. Außerdem nutzen alle die gleichen Köder, die der Zielgruppe oft nicht mehr richtig schmecken: Ob Stellenportale oder Jobbörsen – keine Methode führt zum Ziel.

Wenn man jetzt bedenkt, dass 40 Prozent aller Arbeitnehmer in ihrem aktuellen Job unglücklich sind und unter bestimmten Umständen wechseln würden, ergibt sich die Frage, wie ich genau diese Personen erreichen kann. An dem Punkt unterstützen wir die Unternehmen.

Beim Recruiting geht es wie beim klassischen Marketing darum, die Unternehmensmarke als Erfolgsfaktor zu positionieren und dort sichtbar zu sein, wo sich die Wunschmitarbeitenden aufhalten. Und hier kommen die Social Media-Plattformen und das Smartphone ins Spiel.

Unser Köder heißt Handy-Recruiting. Wir verpacken die Themen der Arbeitgeber in emotionale und ansprechende, genau für diese Zielgruppe entwickelte Botschaften. Es geht darum, potenzielle Bewerber zu begeistern – schnell, einfach und direkt.

Frau Weidinger, was ist das Entscheidende bei Ihren Botschaften, wie Sie es nennen? Worauf legen Sie den Schwerpunkt?

Christina Weidinger, Beraterin und Inhaberin, EMPLOYEE4YOU (Bildnachweis: EMPLOYEE4YOU)

Das Wichtigste ist, die Zielgruppe möglichst gut zu kennen. Vorab sollte das Unternehmen ein ganz genaues Profil seiner Wunscharbeitskraft erstellen und danach überlegen, wo und vor allem wie man sie erreichen kann. Ein weiterer Punkt ist die Sichtbarkeit: Unternehmen ohne ein Gesicht in Social-Media bekommen keine neuen Mitarbeiter mehr oder verlieren sogar Personal.

In manchen Branchen ist das jetzt schon so und in anderen ist das nur noch eine Frage der Zeit. Die Menschen sind einer nie dagewesenen Flut von Informationen und potenziellen Arbeitsmöglichkeiten ausgesetzt. Da müssen die Personalverantwortlichen eine Punktlandung mit ihren Recruiting-Maßnahmen hinlegen, um die richtige Zielgruppe zu erreichen.

Neben der Sichtbarkeit ist zudem die Wahrnehmung als guter Arbeitgeber entscheidend. Das Fundament hierbei ist eine Herausarbeitung folgender Fragen: Was ist das Besondere am Unternehmen? Warum sind die Mitarbeitenden gerne dort? Welche Vorteile haben sie?

Wird das klar kommuniziert, spricht sich das rum und bleibt nachhaltig in Erinnerung. Nicht alle sind jetzt bereit zu wechseln. Aber wenn potenzielle Arbeitnehmer positive Eindrücke abgespeichert haben, ist es viel wahrscheinlicher, dass sie sich bewerben.

Das heißt, es gibt für Personalabteilungen auch eine Lösung, was Konkurrenz und Big Player in Ballungszentren angeht?

Davon sind wir fest überzeugt. Wer sich als attraktiv in den Köpfen der Mitarbeitenden verankert und seine Vorteile aktiv kommuniziert, wird Bewerber magnetisch anziehen. Alle anderen haben ein riesiges Problem – es gibt kein Dazwischen.

Die Unternehmen sind gläsern. Vergleiche zwischen Arbeitszeiten, Jobqualität, Gehältern und so weiter sind problemlos möglich. In Ballungszentren mit vielen Konkurrenzfirmen und womöglich noch Big Playern haben es mittelständische Unternehmen bei der Personalsuche extrem schwer. Die großen Konzerne locken mit höheren Stundenlöhnen, mehr Entwicklungsmöglichkeiten und haben natürlich Vorteile durch ihre bekannten Marken.

Auch hier hilft es enorm, wenn die Menschen wissen, dass es mich als Arbeitgeber gibt und welche Vorteile ich biete – und zwar sowohl bei der Rekrutierung als auch beim Halten der Fachkräfte.

Herr Lichtenegger, an welchen Stellschrauben können die Unternehmen sonst noch drehen?

Michael Lichtenegger, Berater und Inhaber, EMPLOYEE4YOU (Bildnachweis: EMPLOYEE4YOU)

Hier greifen wir gerne mal das Beispiel von klassischen Berufsgruppen mit geringer Attraktivität auf. Diese werden im schlimmsten Fall aussterben, weil keiner mehr dort arbeiten will. Und da helfen auch die sozialen Netzwerke nicht – zumindest haben wir noch keine Influencer entdeckt, die über coole Jobs auf der Baustelle, im Labor oder in der Fabrik sprechen.

Hier sind nachhaltige Aufklärungskampagnen und clevere, durchdachte Strategien gefordert, um diese Berufe wieder attraktiv für die jüngere Generation zu machen. Aber auch das kann nur gelingen, wenn die Unternehmen digital sichtbar sind und als guter Arbeitgeber wahrgenommen werden.

Ein positives Image muss wieder zentraler Bestandteil der Firmenkultur werden. Das erfordert Weitblick und Flexibilität – vor allem in Krisenzeiten. Die Menschen wollen sich nicht im Job zusätzlichen Risiken aussetzen. Sie brauchen Sicherheit – auch im Unternehmen. Die Geschäftsführung muss das kommunizieren, dafür einstehen und leisten, was sie verspricht. Im Gegenzug bleiben loyale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Frau Weidinger, gibt es Fehler, die die Verantwortlichen unbedingt vermeiden sollten?

Der Nutzen von Social Media und Handy-Recruiting kann sich nur entfalten, wenn die Unternehmen die Plattformen und den Umgang damit auch wirklich verstehen. Und sie müssen auf Qualität achten, denn der erste Eindruck zählt.

Ein Problem ist auch, dass sich viele als Social Media-Experten bezeichnen, es aber tatsächlich nicht sind. Hier verbrennt derjenige Geld, Zeit und Nerven, der auf das falsche Pferd setzt. Für die neuen Herausforderungen, die Abläufe und das Verständnis für den Markt brauchen Arbeitgeber Erfahrung und Professionalität. Und wenn sie diese nicht im Haus haben, müssen sie sich Hilfe holen. Nur so führt die Personalsuche langfristig zum Erfolg.

Herr Lichtenegger, können Sie Ihre Tipps zur erfolgreichen Mitarbeitersuche für die Zerspanungsbranche nochmal kurz auf den Punkt bringen?

Unser wichtigster Ratschlag an die Mitglieder des Verbands: Entscheidet euch dafür, das Thema Personalsuche als Herausforderung, aber auch als Chance zur Veränderung jetzt anzugehen. Der zweite Tipp: Arbeitet mit Profis zusammen. Fachkräftegewinnung und der Aufbau einer Arbeitgebermarke sind zu essenziell, um Zeit und Ressourcen zu verlieren.

Und ganz wichtig: Holt eure zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort ab, wo sie sich bewegen – nämlich in den sozialen Netzwerken. Wer hier ein durchdachtes Konzept hat, ist schon einen entscheidenden Schritt weiter auf dem Weg zum Employer Branding.

Kontakt:

www.drehteileverband.de