Inline Metrology auf der METAV

Machine to machine, kurz M2M, heißt die Zauberformel der Fabrik von morgen. Nur wenn Maschinen mit Maschinen problemlos kommunizieren können, wird die Vision Industrie 4.0 wahr. Doch das funktioniert nur mit Inline Metrology, in den Fertigungsprozess integrierter Messtechnik. Den aktuellen Stand der Technik präsentieren Experten aus Wissenschaft und Industrie auf der METAV in Düsseldorf.

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Es geht u.a. um die Maßeinheiten bar, Hz, µm, kW, m/min, kN, rad oder rpm. Das ist nur ein kleiner Auszug aus dem Katalog an Messgrößen, die den aktuellen Prozesszustand einer Produktion beschreiben. Nur wenn diese Daten jederzeit in Echtzeit aktuell zur Verfügung stehen, lässt sich eine prozessstabile Fertigung verwirklichen. Im Mittelpunkt steht die Aufgabe, die derzeit noch lückenhaften Regelkreise zu schließen. Ein wichtiges technisches Mittel zum Zweck ist die Inline Metrology, die in den Fertigungsprozess integrierte Messtechnik. „Die Fertigungsmesstechnik liefert die Grundlagen, um die reale Fabrikwelt abzubilden“, erklärt Walter Kimmelmann, Leiter der Abteilung Modellbasierte Systeme am Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement des Werkzeugmaschinenlabors an der RWTH Aachen. „Mit den dabei erfassten und ausgewerteten Daten lassen sich in einer Modellwelt die idealen Betriebspunkte ermitteln und optimieren, die anschließend als Stellgrößen zum Regeln der realen Produktionswelt dienen“, so der Experte.

Messtechnik: Zehnmal besser als die Toleranz

Für diese Aufgabenstellung bedarf es einer sehr robusten und unempfindlichen Sensorik, die selbst unter den teilweise sehr harschen Umwelteinflüssen in einer Werkzeugmaschine stets zuverlässig rund um die Uhr funktioniert. „Dabei greift die goldene Regel der Messtechnik“, betont der Abteilungsleiter. „Sie muss um den Faktor 10 besser sein als die zu erwartende Toleranz.“ Der Produktioner könne nämlich nur dann vernünftig in den Prozess eingreifen, wenn er gesicherte und verlässliche Messdaten erhält.

WZL-Gruppenleiter Dipl.-Wirt.-Ing. Martin Peterek
WZL-Gruppenleiter Dipl.-Wirt.-Ing. Martin Peterek

Doch wie lässt sich eine reinrassige Werkzeugmaschine in ein valide messendes System verwandeln? „Für den Mess-Einsatz einer klassischen Dreiachs- oder Fünfachs-Anlage spricht, dass sie die gleiche Kinematik wie eine Koordinatenmessmaschine hat“, gibt WZL-Gruppenleiter Martin Peterek zu bedenken. „Daher lassen sich ähnliche Vorgehensweisen und Richtlinien nutzen. Ziel ist die Bestimmung einer Messunsicherheit für den Messprozess, denn nur durch die Angabe einer Messunsicherheit, liefern die Messergebnisse eine verwertbare Aussage.“ Allerdings muss man sich darüber bewusst sein, dass die Werkzeugmaschine und insbesondere das Arbeitsumfeld einige für das Messen nachteilige Eigenschaften besitze: Gefragt sind u.a. genaue Kenntnisse über die geometrischen Fehler und Verhaltensweisen beim Bearbeiten und Messen, um so die Störgrößen mit entsprechender Messtechnik und Software zu kompensieren. Peterek: „Wer eine Erweiterung zur Messmaschine plant, sollte uns daher zu einem sehr frühen Zeitpunkt hinzuziehen. Nur so lässt sich auch eine Maschine realisieren, die mit deutlich geringerer Messunsicherheit rückgeführt misst. Die notwendigen Schritte von der Auslegung der Messstrategie bis hin zur Bestimmung der Messunsicherheit werden dabei von einer selbstentwickelten Software begleitet. Der Anwender ist danach in der Lage, andere Maschinen ebenfalls zum Messen zu befähigen. Die Aufnahme, Aufbereitung und Weiterleitung der Daten entscheidet danach maßgeblich über den Erfolg der prozessintegrierten Messprozesse. Nur wenn die Messdaten und damit die Informationen über das Produkt und den Prozess zur Verfügung stehen, lassen sie sich für eine Prozesssteuerung nutzen.

Dr.-Ing. Walter Kimmelmann, Leiter der Abteilung Modellbasierte Systeme

„Wenn ein Hersteller Messtechnik-Fachleute wie uns frühzeitig zu Rate zieht, erhält er nicht nur eine genauer messende, sondern auch eine präzisere Teile herstellende Werkzeugmaschine“, ergänzt Kimmelmann. „Übrigens lässt sich auch der Roboter als reine Messmaschine einsetzen. Wir nutzen Roboter im Zusammenspiel mit Kameras und Laserscanner zum Digitalisieren von unbekannten Konturen beispielweise bei großen und komplexen Bauteilen.“

Lasermesstechnik hat sich bewährt

In den vergangenen Jahren haben sich in Aachen Lasermesssysteme bewährt, da sie den Fertigungsprozess nur gering beeinflussen. Andere Verfahren wie Neigungswaagen kommen auch infrage, müssen allerdings fest in der Maschine verbaut sein. „Wir setzen fast ausschließlich auf lichtbasierte Technologien, die aus der modernen Koordinatenmesstechnik stammen“, sagt Peterek. „Die Optik wird die taktilen Verfahren zunehmend verdrängen, da man deutlich mehr Informationen in kürzerer Zeit erhält.“ Was sich mit optischer Messtechnik im Zusammenspiel mit der Industrie realisieren lässt, zeigt eine Roboterzelle für die Montage von Lkw-Fahrerhäusern. Kimmelmann: „Ein externes, mobiles Koordinatenmesssystem auf optischer Basis erfasst den Standort der Lkw-Kabine auf einem Montageband und das ganze Umfeld in sechs Freiheitsgraden, damit der Roboter „weiß“, wie und wo er beispielsweise eine Windschutzscheibe passgenau auf 100 bis 200 µm montiert.“

Trotz dieser Entwicklungen ist der externe Messraum nicht passé. „Ich gehe davon aus, dass er weiterhin eine Berechtigung hat, denn manches lässt sich auch nicht mit speziellen Werkzeugmaschinen mit der entsprechenden Genauigkeit messen“, sagt Peterek. „Für komplexe Aufgaben mit hohen Genauigkeitsanforderungen wird daher der gekapselte Messraum mit Temperaturkompensation – etwa für Freigabeprozesse – weiterhin gefragt sein.“

Nicht nur wegen der Vielzahl an Fragen rund um die Fertigungsmesstechnik kommt bei den beiden Fachleuten die Idee einer Quality Area auf der METAV 2016 gut an. Der Gruppenleiter empfindet sie als deutliche Aufwertung seines Fachbereichs, denn „wir haben im Prinzip für Werkzeugmaschinen, Robotik und einen Großteil der Automatisierung die passende Messtechnik“. Prof. Dr.-Ing. Robert Schmitt, Leiter des Lehrstuhls Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement sowie Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Qualität (DGQ) e.V., sieht die Quality Area auch als Chance, „die funktional-organisatorischen Mauern zwischen den produzierenden und messenden Bereichen abzubauen“.

Februar 2016: Guter Zeitpunkt für neue Messe-Wege

Ulrich Löhr, Geschäftsführer der m&h Inprocess Messtechnik GmbH, Waldburg

„Der Zeitpunkt ist gut gewählt, um im Februar 2016 – einige Monate nach der EMO Mailand – neue Wege zu gehen“, meint Ulrich Löhr, Geschäftsführer der m&h Inprocess Messtechnik GmbH aus Waldburg. „Wir setzen auf eine Belebung durch die Quality Area und zeigen zusammen mit unseren Partnern Edgecam und Work NC unter dem Logo von Hexagon Manufacturing Intelligence Fertigungs- und Messlösungen direkt auf der Werkzeugmaschine.“

m&h stellt auf der METAV Messtaster und Software vor, mit „der sich die direkteste Form der Inline-Messung“ realisieren lässt. „Unsere Technik kommt in der Maschine zum Einsatz, in der sie auch direkt im Prozess misst“, erklärt Löhr. „Eine wichtige Rolle spielt das CAD-basierende Programm 3D Form Inspect, welches das 3D-CAD-Modell des Anwenders einliest.“ Dank der Software lassen sich einfach und schnell Regelgeometrien sowie Formen an allen Seiten direkt auf der Werkzeugmaschine messen und protokollieren.

Die Software überträgt sämtliche definierten Messpunkte an die Maschinensteuerung. Auf der Maschine kommt es zu einem direkten Soll-Ist-Vergleich, bei dem das Bauteil im gespannten Zustand gemessen wird. „Unsere patentierte Kalibrierstrategie ermöglicht präzises Messen in 3-Achs- und 5-Achs-Werkzeugmaschinen “, sagt der Geschäftsführer. „Wir können daher innerhalb der Positioniergenauigkeit der Maschine messen.“ Die Software erfasst dazu kinematische Veränderungen, unterschiedliches Achsverhalten wie Schleppfehler und thermische Verlagerungen im Arbeitsraum. Alle diese Faktoren berücksichtigt 3D Form Inspect und kompensiert sie automatisch beim Messvorgang.

Weiterbearbeitung in allen Ebenen und Achsen

Damit auch Maschinenbediener komplexe Messaufgaben ohne vorherige Programmierkenntnisse einfach und schnell erledigen können, lässt sich 3D Form Inspect intuitiv bedienen. Dazu legen sie die Messpunkte einfach per Mausklick fest, die dann automatisch zur Steuerung übertragen werden. Messergebnis und Protokoll entsprechen dabei dem Ist-Zustand des Bauteils in Bezug auf den Bearbeitungs-Nullpunkt. Es lässt sich dank einer speziellen Softwarefunktion ein Protokoll erstellen, das dem eines Koordinatenmessgerätes entspricht. Innerhalb der Bearbeitung kann das Bauteil mit Hilfe der Option Best-Fit jederzeit in allen Ebenen und Achsen komplett neu ausgerichtet und weiterbearbeitet werden.

Kam die Software früher in erster Linie im Werkzeug- und Formenbau zum Einsatz, nutzen sie heute laut m&h viele Industriezweige – von der Automobilindustrie, Energiebranche bis hin zur Luft- und Raumfahrt. Als einen Pluspunkt sieht Löhr den Einsatz bei komplex geformten Bauteilen ohne gerade Bezugsflächen, die sich sonst nur mit großem Aufwand spannen und ausrichten lassen. Eine wichtige Rolle spielt auch die Hardware, bei der das Unternehmen stolz auf den „kleinsten Infrarot-Messtaster des Marktes ist“, der dank eines winzigen Durchmessers von nur 25 mm den Einsatz auch in extrem kleinen Präzisionswerkzeugmaschinen etwa der Uhren- oder Medizintechnikbranche erlaubt.

Als weiteren Vorteil sieht der Geschäftsführer auch die vielseitige Art und Weise der Auswertung. Löhr: „Manche Anwender senden die Messprotokolle jedes einzelnen Bauteils direkt an ihre Endkunden. Andere nutzen das Programm, um nicht mehr jedes Bauteil auf dem Koordinatenmessgerät zu messen, das nur noch stichprobenartig überprüft.“

 

Kontakt:

www.metav.de