Kommen geometrisch komplexe Teile aus schwer zerspanbaren Werkstücken mit eng tolerierten Maß- und Oberflächenvorgaben auf den Fertigungsplan, können auch hiesige Lohnfertiger noch Geld verdienen. Freilich: Damit aus lohnenswerten Anfragen gute Aufträge werden, sind adäquate Maschinenkapazitäten obligat. Nun: Die Wilhelm Drexelius GmbH aus Finnentrop-Heggen setzt seit über 10 Jahren auf´s Komplettfertigen und dabei insbesondere auf die Multiachsenmaschinen des in Deutschland exklusiv von Hommel Unverzagt vertretenen japanischen Herstellers Nakamura-Tome. Jüngste Investition: rund 400.000 Euro für eine Super NTJ. Mit neun CNC-Achsen, adaptierem Stangenlademagazin von FMB und integrierter Abgreifeinheit macht das multifunktionale Dreh-Fräszentrum selbst bei kleinen Stückzahlen einen profitablen Schnitt.
Bild 1/2: Kompakter Alleskönner: Die Nakamura Tome Super NTJ kombiniert vielseitige Bearbeitungsmöglichkeiten und wirtschaftliche Leistungsdaten auf einer Stellfläche von nur 8, 4 m². Der obere Revolver lässt sich innerhalb 1 Sekunde um +/- 91° auf 0.001 ° genau schwenken. Die Y-Achse verfährt +/- 45 mm. Oberer und unterer Revolver fassen 24 angetriebene Werkzeuge zum Bohren, Fräsen oder Verzahnen. Die Tools arbeiten mit einer Leistung von 3.7 kW bis 6.000 min-1.
Für Peter Drexelius, Geschäftsführer der auf Präzisionsdrehteile spezialisierten Wilhelm Drexelius GmbH mit Sitz in Finnentrop-Heggen ist ein Trend ganz sicher: „Die Teilegeometrien werden komplexer und die Werkstoffe anspruchsvoller. Gleichzeitig steigen die Qualitätsansprüche unserer Kunden.“ Damit nicht genug: Wer sich dauerhaft erfolgreich für gute Aufträge qualifizieren will, muss zudem „kürzeste Lieferzeiten garantieren und auch kleinste Losgrößen wirtschaftlich fertigen können“. Denn vor jedem größeren Auf-trag steht häufig eine Generalprobe in Form einer Null- oder Kleinserie. Um diese geballten Anforderungen unter einen Hut zu bekommen, ist für den 25 Mann starken Lohndreher das Komplettfertigen längst 1. Wahl. Den Einstieg in die an-spruchsvolle Technik des Mehrachsdrehens wagten die Sauerländer bereits 1993 mit der Investition in eine 6-achsig CNC-gesteuerte WT 20 von Nakamura -Tome. Diese mit einem Irco-Lader automatisierte Maschine hat nach Aussage von Peter Drexelius „bis heute knapp 5 Millionen Teile produziert und läuft ohne größere Ausfälle und Reparaturen immer noch wie am Schnürchen.“
Ob dieser guten Erfahrungen wundert es nicht, dass von den rund 20 vorhandenen CNC-Maschinen fünf das Label Nakamura-Tome tragen. Noch beachtlicher ist freilich, dass von den etwa 1.000 „lebenden“ Teilen etwa die Hälfte von diesem hochproduktiven Quintett komplett gefertigt werden. Als da wären: eine vierachsige SC 150, eine WT 20 mit 5 CNC-Achsen sowie eine WT 250 mit 8 CNC-Achsen. Auf der Metav 2002 schließlich entschied man sich buchstäblich vom Stand (der Hommel Gruppe) weg für den Kauf der seinerzeit erstmals vorgestellten Nakamura Tome Super NTJ.
Installiert wurde sie im Frühjahr 2003.
Drexelius: „Uns hat das Maschinenkonzept sofort überzeugt.“ Solche Überzeugungstäter wünscht sich Hommel Unverzagt als exklusiver Vertriebspartner von Nakamura Tome in Deutschland gerne öfter und sicher wohl auch H.P. Raeder von der für Drexelius zuständigen Gebietsvertretung HNW Werkzeugmaschinen GmbH in Ratingen: „Die zahlreichen Vorteile einer in 9 Achsen CNC-gesteuerten Maschine erschließen sich leider für viele Zerspaner, und vor allem solchen mit wenig eigenen oder sogar schlechten Erfahrungen in der Komplettzerspanung selten sofort. Außerdem wirkt die Technik natürlich erst einmal sehr komplex, was vermutlich viele Investverantwortliche ersteinmal abschreckt.“ Das wäre dann auch ein möglicher Grund dafür, dass von den über 100 weltweit verkauften Super NTJ bislang nur ein Dutzend in deutschen Firmen Späne macht. Ein anderer Grund könnten die nicht gerade geringen Investkosten sein. Die nämlich summierten sich bei Drexelius inklusive Stangenlademagazin von FMB sowie einer kompletten Werkzeugausstattung auf rund 400.000 Euro. Kein Pappenstiel – aber es rechnet sich offenbar.
Peter Drexelius: „Wir haben auch Mehrachser von drei anderen Herstellern im Haus. Die Nakamuras sind ihr Geld wert. Die Maschinen sind absolut stabil gebaut; sie arbeiten sehr zuverlässig und liefern vor allem bei unserer Spezialität, dem Komplettbearbeiten ausgesprochener Problemwerkstoffe 100% Qualität. Man muss sich natürlich mit den Maschinen und der Technologie beschäftigen. Aber wenn man die Philosophie verstanden hat, verschaffen einem diese Maschinen echte Wettbewerbsvorteile. Wir sind damit flexibel und produktiv zugleich. Wir haben rund 80 verschieden Kunden aus ganz unterschiedlichen Branchen. Speziell mit der Super NTJ sind wir für alle Anforderungen gewappnet, bis hin zur Fertigung komplexester Werkstücke in Kleinstserie.“
Einzige Restriktion sind demnach die Arbeitsbereiche:
Die Nakamura Tome Super NTJ eignet sich fürs Komplett-bearbeiten von Stangen- und Wellenteilen bis Ø 65 mm und einer Länge bis 600 mm sowie für Futterteile mit Abmessungen von maximal Ø 150 x 150 mm. Trotz der geringen Stellfläche von etwa 8,4 m² bringt die Maschine mit ihrem Bett aus vergütetem Meehanite-Guss wuchtige 12 Tonnen auf die Waage, was selbst unter schwersten Zerspanungsbedingungen und insbesondere auch beim leistungsorientierten Fräsen stets ruhige, mithin sehr werkzeugschonende wie gleichermaßen qualitativ hochwertige Zerspanungsprozesse impliziert. Peter Drexelius: „Unsere typischen Stückzahlen gehen von 500 bis 5000 Stück. Mit der Super NTJ erzielen wir selbst bei deutlich kleineren Stückzahlen konkurrenzfähige Stückkosten. Und wir sind meistens auch noch schneller als viele Wettbewerber.”
Was wohl auch an der Kinematik liegt. Bei der NTJ liegen im oberen Revolver vier Maschinenachsen. Als B-Achse schwenkt der Revolver um +/- 91°, der Verfahrweg in der Z-Achse misst 1240 mm, in der X-Achse 167.5mm und in Y eröffnet der Weg von +/-45 mm vielzahlige Bearbeitungs-möglichkeiten. Die Indexierung der B-Achse erfolgt über eine Kombination aus Hirthverzahnung mit 5°-Teilung (1° als Option) und Servoantrieb. Für einen 180°-Schwenk benötigt die B-Achse gerade einmal 1 Sek. Die Positioniergenauigkeit liegt bei 0.001°. Die Klemmkraft beträgt 6 to. Die Tools im Revolver werden von einem 3.7 kW Motor angetrieben, wobei die Kraftübertragung – nicht über die von Maschinenkon-strukteuren immer noch gerne genutzte Doppelnutverbin-dung – sondern über eine Spline-Verzahnung erfolgt.
H.P. Raeder: “Durch den extrem stabilen Aufbau und den Drehzahlbereich von 60 bis 6.000 min-1 können Anwender mit der Super NTJ das Leistungsspektrum moderner Bohr- und Fräswerkzeuge voll ausnutzen. Anwender der NTJ erzielen BAZ-typische Fräsleistungen. Und dabei ist die Laufruhe selbst beim Einsatz eines 50er Messerkopfes mit 1000 mm/min Vorschub sensationell.” Nun: Laufruhe ist nicht nur eine Grundvoraussetzung für sehr gute Bearbeitungsqualitäten, sondern minimiert bekanntermaßen auch den Werkzeugverschleiss, was in Konsequenz die Prozessstabilität erhöht und ganz nebenbei die Stückkosten senken hilft.
Neben dem oberen Revolver mit der Y-B-Achse, integriert die Super NTJ einen unteren Revolver.
Beide Revolver haben durch die 24-fach Indexierung (in Kombination mit Doppelwerkzeughaltern) eine Aufnahmekapazität von bis zu 80 Drehwerkzeugen. Insgesamt sind bis zu 24 angetriebene Werkzeuge einsetzbar (3,7 kW, 60 – 6.000 min-1). Beide Revolver lassen sich den beiden als C-Achse (600 min-1) ausgeführten Werkstückspindeln (15 kW; 50- 5.000 min-1, 970 mm Spindelabstand) frei zuordnen, so dass durch eine geschickte Bearbeitungsfolgeplanung fast stetig zwei Werkzeuge Späne machen und die Aufteilung zwischen Vor- und Rückseitenbearbeitung prozessoptimal ablaufen kann.
Dass Nakamura Tome mit der Super NTJ unproduktiven Nebenzeiten den Kampf ansagt, zeigt sich auch an der intelligent ins Maschinengehäuse integrierten Abgreifeinrichtung, die fertig bearbeitete Teile prozessparallel nach außen führt. Überdies hat Drexelius einen FMB-Stangenlader adaptiert. Damit ist die Super NTJ als vollautomatisiertes Dreh-/Fräszentrum für den manarmen Mehrschichtbetrieb bestens ausgestattet. Und 2 Schichten sind bei Drexelius normal.
Bild links: Freunde für´s Leben: Die 1993 installierte WT 20 hat bis heute knapp 5 Millionen Teile produziert.
Bild rechts: Bei typischen Losgrößen zwischen 500 und 5.000 Stück qualifizierte sich Präzisionsfertiger Drexelius durch automatisiertes Komplettbearbeiten bislang bei etwa 80 verschiedenen Kunden aus der Automobil- und Medizintechnik, dem Landmaschinenbau und vielen anderen Branchen Faustregel: je höher Komplexität und Genauigkeitsanforderungen, desto besser rechnet sich die Super NTJ.
Lange Maschinenlaufzeiten sind gut für´s Geschäft. Insofern sind auch schnelle Rüstwechsel bares Geld. Nach Aussage von Peter Drexelius dauert das komplette Umrüsten auf einen neuen Job maximal vier Stunden. Bei den Umrüstaktionen macht sich unter anderem bezahlt, dass alle Nakamura´s ein einheitliches Werkzeugsystem haben. Das spart jede Menge Zeit und natürlich auch Kosten. Die Blocktools sind unter den Nakamuras 100%ig kompatibel. Die Aufnahmen sind sehr solide und präzise gefertigt. Außerdem sind die Werkzeuge mit wenigen Handgriffen aus- und wieder eingebaut. Die Programmierung der zahlreichen Maschinenachsen und insbesondere der Schwenkachse ist dank der adaptierten Fanuc-CNC und ausgeklügelten Programmierhilfen keine Hexerei und lediglich eine Sache der Übung. Nach Aussage von H.P. Raeder „haben erfahrene Zerspaner mit CNC-Kenntnissen die komplexen Abläufe üblicherweise nach einer einwöchigen Schulung zuverlässig im Griff“. Nun denn: Spitzentechnik gepaart mit Gewußt-Wie hat immer Konjunktur.
Klaus Dieter Hennecke