Exzellente Produktionsumgebung

In der Produktionshalle der Liebherr-Verzahntechnik GmbH in Kempten läuft eine neue voll automatisierte Anlage für große Maschinenteile, die Widersprüche auflöst: vollkommen flexible Bearbeitung und höchste Präzision bei vollständiger Automatisierung.

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BURKHARDT+WEBER-Bearbeitungszentrum mit dem Liebherr-Palettenhandhabungssystem

Für Manfred Kaut erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch: Der Produktionsleiter der Liebherr-Verzahntechnik GmbH suchte nach einer Möglichkeit, die Fertigung für hochgenaue Großteile wie Maschinenbetten, -ständer und -tische zu automatisieren. Fündig wurde er im eigenen Konzern. Die Kollegen aus der Automatisierungstechnik hatten bereits vor zwei Jahren ein Palettenhandlingsystem (PHS) für kleinere Bauteile installiert und boten an, ein solches auch für Teile bis 13 Tonnen zu erstellen. Zwölf Monate später läuft die Produktion und alle Beteiligten sind hochzufrieden.

„Wir haben Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung gelegt: Maschine – System – Ablaufplanung – Mensch“, erläutert Kaut den Liebherr-Ansatz. Nur wenn das Zusammenspiel klappt, rechnet sich die Investition. Hochpräzise Teile sind im Einkauf sehr teuer. Ein neues Fertigungssystem war jedoch nur sinnvoll, wenn die weniger präzise zu fertigenden Bauteile in mannlosen Schichten ebenfalls selbst hergestellt werden können und sich so der Zukauf deutlich reduziert. „Dieses Ziel haben wir erreicht“, bestätigt der Produktionsleiter.

Handling eines Maschinenbettes für eine Verzahnmaschine

Der Prozess wird ganzheitlich von der Software der Firma Soflex gesteuert, die bereits erfolgreich im System für kleinere Bauteile eingesetzt wird. Soflex plant auf der Datenbasis des ERP-Systems den kompletten Ablauf und sorgt nicht nur dafür, dass die Maschinen immer optimal ausgelastet sind. Sie verwaltet auch die NC-Programme, die Werkzeuge und versorgt die Bediener mit den richtigen Werkstücken und Bearbeitungstools. „Damit ist es jetzt ausgeschlossen, dass veraltete Bearbeitungsprogramme ablaufen oder falsche Bauteile montiert werden“, betont Manfred Kaut. „Insgesamt ist die Herstellung sicherer und die Abläufe sind flüssiger. Mensch und Maschine werden auf die bestmögliche Weise unterstützt.“

Bearbeitungszentren von BURKHARDT+WEBER

Im Herzen der Produktion stehen zwei Bearbeitungszentren (BAZ) von BURKHARDT+WEBER: ein BAZ MCT 1000 und ein BAZ MCX 1400HVC, die vollständig in das Hochregalsystem integriert sind. Beide verfügen über eine leistungsstarke und hochdrehende Schwenkspindel, die die Bearbeitung von fünf Seiten in einer Aufspannung erlaubt. 41 Kilowatt Antriebsleistung und 1400 Newtonmeter Drehmoment im S1-Betrieb erlauben dabei eine hocheffiziente Zerspanung.

„Unsere Aufgabe bestand darin, sowohl hochgenaue Bearbeitung als auch Multitasking möglich zu machen, damit eine große Anzahl verschiedener Teile bearbeitet werden kann“, beschreibt Michael Wiedmaier, Vertriebsleiter von BW, die Aufgabe. „Wir sollten möglichst viele Technologien und Folgebearbeitungen in die Prozesse integrieren, wie zum Beispiel Tieflochbohren oder Drehen.“ Damit werden Rüst-, Wege- und Liegezeiten bei anderen Maschinen sofort eliminiert.

Die MCX 1400HVC ist für größere Bauteile konzipiert und nimmt vom Hochregalsystem Palettengewichte bis zu 13 Tonnen entgegen. Die etwas kleinere MCT 1000 hat zudem einen eingebauten Drehtisch mit Torqueantrieb. „Dieser ist eine Eigenentwicklung von BURKHARDT+WEBER. Er ermöglicht die nötige Geschwindigkeit, damit auch fünfachsiges Drehen auf der gleichen Maschine möglich ist.“ In Kombination mit der eingesetzten Schwenkspindel erlaubt die MCT 1000 sowohl das Horizontaldrehen, z. B. als Plan- oder Außendrehen, als auch das Vertikaldrehen von Innendurchmessern oder Absätzen mit bis zu 300 Umdrehungen pro Minute.

Genauso wichtig wie die Leistung ist die Genauigkeit: Beide BAZ arbeiten mit Toleranzen im einstelligen µ-Bereich. Das entspricht in etwa der Ungenauigkeit, die durch Messtaster und Temperatur ausgelöst werden.

Moderne Rüstplätze unterstützen den Anwender

Das PHS umfasst 30 Plätze, die Teile mit einem Gewicht von einer bis acht Tonnen beinhalten. Zusammen mit den Paletten und Vorrichtungen ergibt sich so eine Last von bis zu 13 Tonnen je Regalfach. Von den beiden versenkten, barrierefreien und durch Lichtschranken gesicherten Rüstplätzen ist einer drehbar. Außer dem Touchscreen für den Bediener existiert noch ein zweiter großer Bildschirm. Dieser ist über dem Rüstplatz angebracht und führt den Mitarbeiter mit Aufspann- und Montagehinweisen durch den jeweiligen Vorgang. „Dem Operator wird die tonnenschwere Last immer bedarfsgerecht geliefert und ebenerdig zugeführt, ebenso das benötigte Material“, betont Stefan Jehle die ergonomischen Vorteile des Systems.

Das neue Palettenhandhabungssystem PHS 10000 im Einsatz

Für die Hubbewegung des Fahrwagens innerhalb des PHS hat Liebherr auf konzerneigenes Wissen zurückgegriffen. Statt der üblichen Kettenzüge wurden Seilzüge verbaut, wie sie zum Beispiel bei Kränen Verwendung finden. „Aufgrund der günstigen Getriebeübersetzung der Seiltrommeln und des Flaschenzugeffekts kommen wir so mit einem deutlich kleineren Standardmotor aus und das ganze System wird schlanker“, erläutert der Automatisierungsexperte.

Spareffekt bei der Energie

Ein positiver Nebeneffekt der neuen Anlage ist die Energieeffizienz. Bei der Bearbeitung entsteht Wärme, die aber dringend eliminiert werden muss, da sie zu Ungenauigkeiten führt. Die Lösung: „Wir haben uns für eine aktive Bauteilkühlung und Entwärmung entschieden. Achs- und Spindelantriebe, Schaltschrank und Hydraulikeinheit sind wassergekühlt. Zusammen mit der Investition in ein Blockheizkraftwerk konnten wir so energetische Vorteile erreichen“, beschreibt Produktionsleiter Kaut das System. „So brauchen wir im Sommer keine Kühlung und im Winter müssen wir nicht extra heizen. Das wirkt sich sehr positiv auf unsere Energiekosten aus.“

Die Investitionskosten im Kemptener Werk waren beträchtlich, haben aber den gesamten Prozess auf ein neues Niveau gehoben. „Wir haben insgesamt eine neue Ebene der Prozesssicherheit erreicht und in unserer Fertigung gleichzeitig viele Ideen der Industrie 4.0 verwirklicht. Mit der digitalen Vernetzung konnten wir eine papierlose, geschlossene Produktionsplanung aufbauen“, lautet das Fazit bei Liebherr. 400 verschiedene Teile werden mit einer Losgröße zwischen eins und vier flexibel, integriert und automatisiert auf einer Linie produziert, mit vielen positiven Effekten für die Mitarbeiter in der Fertigung. So muss eine moderne Prozesslösung aussehen.

Kontakt:

www.liebherr.com