Ein Blick von der Empore beeindruckt. Auf etwa 500 Quadratmetern reihen sich vier Maschinen. Dazwischen wuseln geschäftige Mitarbeiter über den gelben Boden. Trophäen der vergangenen Jahre zieren die zehn Meter lange Fensterbank: Bohrer, Fräsköpfe und Späne liegen einträchtig neben Bauteilen verschiedener Formen und Größen. Die Erinnerungsstücke gewähren Einblicke in die vielen unterschiedlichen Versuche und Experimente, die in der großzügig dimensionierten ISCAR-Werkshalle bereits erfolgreich zum Abschluss gebracht wurden.
Was vor vielen Jahren mit einem engagierten Tüftler und einer unausgelasteten Maschine begann, trägt nun den stolzen Titel „TechCenter“. Inoffiziell ist gelegentlich auch vom „Spielplatz für große Jungs“ die Rede. Den betreibt der Werkzeughersteller mit israelischen Wurzeln an seinem deutschen Hauptstandort in Ettlingen – mit Erfolg.
Mittlerweile ist das TechCenter in der Obhut von Marco Huck und Markus Schmitt. Die beiden lösen verschiedene technische Probleme der ISCAR-Kunden, erproben Werkzeuge und Neuheiten und fahren Benchmark-Tests, um den Markt im Auge zu behalten. Zu den „Spielzeugen“ gehören Langdreher XD26 II von Hanwha sowie Kurzdreher DMG-Mori CTX800 beta, eine C 52 U Universalfräsmaschine von Hermle und die Vertikaldrehmaschine VL 4 von EMAG. Der Maschinenpark ist zwar schon gut bestückt, erhält aber dennoch bald wieder Zuwachs.
„Dieses Jahr wird sich unser TechCenter nochmal um 50 Prozent vergrößern“, freut sich Schmitt. Ein zweiter Langdreher und eine Tieflochbohrmaschine erweitern den Maschinenbestand. „Mit den zwei Neuen haben wir alles, was das Herz begehrt! Nach unseren Anlagen würde sich so manche Produktion die Finger lecken“, gibt er mit einem Augenzwinkern zu. Die Maschinenauswahl ist keinesfalls ein Zufallsprodukt: Die Geräte sind am Markt weit verbreitet. „Damit haben wir die Möglichkeit, unsere Tests so nah wie möglich an der Situation beim Kunden zu fahren“, erklärt Schmitt.
Warum das wichtig ist, verdeutlicht der typische TechCenter-Alltag. „Beispielsweise trat Maschinenhersteller EMAG mit einem Projekt an uns heran“, erinnert sich Huck. Ein Kunde des Unternehmens aus Salach spielte mit dem Gedanken, seine alte Maschine gegen eine neue VL 4 zu tauschen. „Er war sich allerdings unsicher, ob er seinen Prozess problemfrei übertragen kann“, führt Huck aus.
EMAG hatte zu dem Zeitpunkt dieses Modell nicht auf Lager und bat das Tüftler-Team von ISCAR um Hilfe. Huck und Schmitt bekamen das Originalfutter zur Verfügung gestellt, erprobten den Prozess und fuhren ihn für den Kunden ein. „Am nächsten Tag demonstrierten wir dann live, dass es funktioniert“, resümiert Schmitt.
„Das war ein Musterbeispiel partnerschaftlicher Zusammenarbeit: EMAG präsentierte seine Anlage und wir unser Werkzeug. Aber vor allem erhielt der Kunde ein Komplettpaket aus Maschine, Zubehör und den passenden Arbeitsparametern.“ Schlussendlich war der Kunde mit seiner Wahl sehr zufrieden.
„Dieser vollumfängliche Service wird mehr und mehr nachgefragt“, kommentiert Marco Huck den Trend der vergangenen Jahre. Daher komme auch das Wachstum des TechCenters. „Im Prinzip leisten wir einen Großteil Entwicklungsarbeit und tauchen sehr viel tiefer in die Maschinen ein als jemand, der sie nur benutzt – man nennt uns gelegentlich auch Maschinenflüsterer“, sind sich beide schmunzelnd einig.
„Bei uns geht es oft darum, das Maximum an Information aus den Maschinen herauszuholen.“ Insbesondere Aufzeichnungen über die Leistungsparameter bieten eine wertvolle Basis für Vergleiche zwischen Maschinen oder Prozessen.
Und für Problemstellungen, die nicht durch Wissen oder Erfahrung zu lösen sind, wartet das TechCenter mit Manpower und Ehrgeiz auf. „Bei manchen Projekten waren schon sechs oder sieben Leute am Werk: Produktmanager, Werkzeugspezialisten – auch aus dem Ausland – oder die Kunden selbst“, erzählt Huck. „Im TechCenter bekommen wir 99 Prozent aller Fälle in den Griff.“ Je näher der Versuchsaufbau an die Produktionsbedingungen des Auftraggebers herankommt, desto leichter lassen sich Probleme oder Hürden identifizieren und lösen.
Dabei hat sich die Kombination aus starken Nerven, Improvisationstalent, einem guten Maß an Verbissenheit und etwas Perfektionismus – aber nicht zu viel – der TechCenter-Tüftler bewährt. Durch die zahlreichen Tests und den Austausch mit Herstellern sowie Anwendern haben sich die Maschinenflüsterer über die Jahre hinweg reichlich Know-how erarbeitet.
Davon profitieren in erster Linie die Kunden. „Was wir an Informationen haben, geben wir gerne weiter – seien es Erfahrungswerte oder konkrete Parameter für spezifische Bearbeitungsprozesse“, führt Schmitt aus. „Unser Wissen landet am Ende immer bei den Anwendern – entweder direkt auf deren Anfrage oder über die Maschinenhersteller.“
Geht es gerade einmal nicht um individuelle Kundenversuche, ist das Spielplatzgelände integraler Bestandteil des ISCAR-Fortbildungsangebots. Bei Kundenseminaren, Workshops, Online-Schulungen, Webinaren und allem, was dazu gehört, ist das TechCenter involviert. Wo andere ihre Zuhörer mit zahllosen Präsentationsfolien und Handouts berieseln, hebt das TechCenter-Team den Wissenstransfer auf ein höheres Level – erfrischend abwechslungsreich und nah an der Praxis.
„Wir gehen mit den Teilnehmern direkt an Maschine, Werkzeug und Span“, erläutert Huck das Konzept. Seit Pandemiebeginn auch verstärkt mit Kamera und Stativ. „So sehen sie, was unsere Werkzeuge und Maschinen leisten können. Und gelegentlich schrauben wir die Schnittparameter hoch, bis es knallt – das zeigt schnell auf, wo die Grenzen liegen.“ Das geschieht manchmal mit Absicht, manchmal aber auch ebenso zufällig wie spielerisch – wie etwa bei einer Kundenschulung zum Thema Hochvorschubabstechen. „Es ging um die Historie von alten Schneidenträgern bis hin zu modernen Abstechsystemen“, erinnert sich Huck.
Als sich die praktische Vergleichsreihe dem Ende neigte, und die Schulungsteilnehmer zum nächsten Seminarteil übergingen, „war noch etwas Zeit übrig und nur noch ein Kunde mit an den Maschinen. Da haben wir eine Schneideplatte ausgepackt, die mehr kann“, schwärmt Schmitt. Anstelle der vorherigen 0,15 Millimeter Vorschub, stach er das 80 Millimeter dicke Werkstück mit 0,4 Millimetern ab – und fuhr die Parameter schrittweise immer weiter hoch.
„Am Schluss lagen wir bei einem ganzen Millimeter Vorschub – das war furchtbar schnell. Da hätte man das Bauteil auch gleich abschlagen können“, erläutert er mit einem Lächeln auf den Lippen. „Das sprach sich schnell rum, und nach der Veranstaltung wollten alle Kunden das Experiment noch einmal selbst sehen“, ergänzt Huck.
Der Versuch war nicht relevant für reale Produktionsbedingungen. „Es ging eher darum, zu zeigen, wie stabil das Werkzeug ist“, erklärt er. „Das ist das Tolle im TechCenter: Wir dürfen unsere Werkzeuge hier auch mal kaputt machen – in diesem Fall war es jedoch nicht kaputt zu kriegen.“
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