Reshoring gefordert

Aufgrund der Corona-Pandemie regt der Verband der Deutschen Drehteileindustrie zum Umdenken an und schlägt vor, ins außereuropäische Ausland verlagerte Fertigungsaufträge künftig wieder verstärkt an deutsche Unternehmen zu vergeben. 

2430
Fordert ein Umdenken beim Sourcing: Hermann Rumpel, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Drehteileindustrie

„Wegbrechende Aufträge und Kurzarbeit sind große Herausforderungen für uns, es sind erste Insolvenzen zu verzeichnen und wir stehen hier erst am Anfang“, erklärt Hermann Rumpel, Vorsitzender des Verbandes der Deutschen Drehteileindustrie. „Es ist an der Zeit, die Lieferkette wieder zu regionalisieren und ein neues Bewusstsein für ‚Made in Germany‘ zu schaffen.“

Denn Corona hat zu umfassenden Störungen der globalen Lieferketten geführt und ihre Anfälligkeit aufgezeigt. Es gab Ausfälle und Engpässe bei der Versorgung mit Gütern – von Tomatenmark über Medizinprodukte bis hin zu Komponenten für die Industrie. „Corona ist jedoch auch eine Chance, die internationale Arbeitsteilung zu überdenken und Beschaffungsstrategien neu zu entwickeln“, sagt Rumpel. „Reshoring ist mehr als nur eine Überlegung wert.“

Für mehr Flexibilität und Qualität

Beim Reshoring geht es darum, Aufträge, die bisher ins außereuropäische Ausland verlagert wurden, wieder verstärkt nach Deutschland und in die EU zu vergeben, um so die heimische Industrie zu stärken und die Lieferketten beherrschbarer zu machen. Das Hauptargument für die Produktion im ferneren Ausland sind die Kosten. „Hier gilt es, die Gesamtrechnung zu betrachten und nicht nur den reinen Kaufpreis“, führt Rumpel aus.

Beschaffungsnebenkosten, die Kosten für Transport und Lieferung, Know-how-Abfluss und gesellschaftliche Nebenkosten spielen ebenfalls eine Rolle. Die Vorteile des Reshoring für die Industrie sind zahlreich: Die Unternehmen können beispielsweise flexibler produzieren, weil sie häufiger, schneller und mit kleineren Losgrößen beliefert werden können. Dadurch müssen sie weniger Teile vorhalten, was die Lagerkosten senkt.

Darüber hinaus entfallen Währungsrisiken, und dank gut ausgebildeter Fachleute weisen Teile „Made in Germany“ eine hohe Qualität auf. Eine regionalisierte Lieferkette ist zudem nachhaltig: Transportwege würden deutlich kürzer werden und regelmäßige Flüge von Mitarbeitern um den halben Globus zur Lieferantenqualifizierung und -betreuung fielen weg. Das spart nicht nur Kosten, sondern verringert auch den CO2-Ausstoß.

„Wir wollen hier aber nicht dem Protektionismus das Wort reden, wie er zum Beispiel in den USA leider seit einiger Zeit zu beobachten ist“, mahnt Rumpel. „Ein solcher hätte langfristig fatale Folgen.“ Vielmehr geht es darum, Schlüsseltechnologien im Land zu halten, Lieferketten abzusichern sowie Deutschland und die EU als Fertigungsstandort wieder attraktiv zu machen. Die Produktion im Ausland muss deshalb nicht komplett eingestellt werden – Dual-Sourcing-Strategien mit Fertigung im In- und Ausland sind auch denkbar.

Solche hybriden Ansätze geben zusätzlich Versorgungssicherheit. „Damit wir gestärkt aus der Pandemie hervorgehen, muss ein Umdenken einsetzen“, sagt Rumpel. „Dies bedarf der Unterstützung durch die Politik. Wir brauchen eine neue Industriepolitik mit einer begleitenden strategischen Steuerung, eine verbesserte Bildungspolitik sowie den verstärkten Einsatz digitaler Techniken und Automatisierung.“

Kontakt:

www.drehteileverband.de