Unabhängig durch eigenen Werkzeugbau

Der Hersteller von Zinkdruckgussteilen Föhl baut eine eigene In-House-Werkzeugfertigung auf. Dabei kommt eine automatisierte Zelle von GF Machining Solutions zum Einsatz.

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Zu sehen ist das neue FORM Werk von GF Machining Solutions. Diese 6x6 Meter große Zelle besteht aus einer Senkerodiermaschine AgieCharmilles FORM 300 (rechts), einer Fünf-Achs-Fräsmaschine Mikron MILL S 600 U (links), die sowohl Stahl als auch Kupfer und Graphit nass fräst und einer Messanlage der Firma Zeiss (vorne).

Das schwäbische Gießereiunternehmen Föhl generiert mit etwa 700 Mitarbeitern in fünf Werken in Deutschland und China 107 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Als Tier-2-Automobilzulieferer fertigen sie u.a Antennensockel, Stecker, Kugelpfannen für Gasfedern, Schalthebel und Bauteile für Gurtrückhaltesysteme. Hinzu kommen Komponenten für andere Branchen. So entsteht eine vielfältige Produktpalette mit über 5 Millionen Teilen, die pro Tag ausgeliefert werden.

Um die Zinkdruckgussmaschinen zu betreiben, werden Werkzeuge benötigt. „Uns war immer klar, dass das Werkzeug im Gießprozess die Schlüsselrolle spielt, mehr noch als die Maschine“, meint Ulrich Schwab, Geschäftsführer Technik bei Föhl. „Wir wollten unser Know-how in diesem Bereich nicht aus der Hand geben, um nicht vollkommen abhängig von externen Werkzeugbauern zu werden.“

Es war Zeit zu handeln: Föhl hatte seit 10 Jahren keine Werkzeuge mehr selbst gefertigt. Zwar gab es eine Formenbauabteilung, aber sie war vor allem mit der Reparatur von Werkzeugen aus der Produktion betraut und mit 20 Jahre alten Maschinen ausgestattet. „Wir haben uns dann entschieden, die Werkzeuge wieder selbst zu bauen, um das Know-how zu retten und zu erweitern“, erklärt er.

Tim Roolf von Föhl vor dem WorkShopManager des FORM Werks. Rechts ist die Senkerodiermaschine AgieCharmilles FORM 300 zu sehen.

Alles aus einer Hand

Diese Entscheidung hatte weitreichende Konsequenzen: Um selbst Werkzeuge herstellen zu können, wurde eine komplett neue, automatisierte Maschinenzelle installiert. Das 6 x 6 Meter große, sogenannte FORM Werk von GF Machining Solutions – bei Föhl intern nennt man es Mold Center – besteht aus einer Senkerodiermaschine AgieCharmilles FORM 300, einer Fünf-Achs-Fräsmaschine Mikron MILL S 600 U und einer Messmaschine der Firma Zeiss, verbunden durch das Automationssystem TRANSFORMER von System 3R. Diese Maschinen verwenden Spannmittel von System 3R.

Insgesamt wurde fast eine Million Euro investiert. GF Verkaufsingenieur Josip Ljubas blickt zurück: „Was mich beeindruckt hat, war der mutige Schritt, den die Firma Föhl vollzogen hat, von vielen älteren einzelnen Anlagen hin zu einer automatisierten Zelle, die alle Bearbeitungsschritte umfasst. Das ist ein noch größerer Schritt als der Kauf einer neuen Fräs-, Senk- und Messmaschine, die jeweils autark für sich arbeiten.“

Für diesen Schritt gab es jedoch gute Gründe. Wichtig war vor allem der Wunsch, bestehendes Know-how zu behalten und auszubauen. Doch auch die besondere Unternehmenskultur der Firma Föhl spielte eine Rolle: Sie steht unter dem Leitsatz „Wertschöpfung durch Wertschätzung.“ Diesem Grundsatz folgend wurden auch die Belange der Mitarbeiter betrachtet: „Wir haben festgestellt, dass unsere jüngeren und sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter selbst Werkzeuge bauen wollen. Auf Dauer genügt es ihnen nicht, Werkzeuge in Stand zu halten“, erinnert sich Ulrich Schwab. „Ein weiterer Grund war, dass man nach genauerer Betrachtung der Ansicht war, dass sich die Investition gegenüber dem externen Werkzeugbau über die Jahre amortisiert.“

Flexibilität, Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit durch Automatisierung

Um diese Amortisierung sicherzustellen, war es nötig, den Produktionsprozess zu automatisieren. Die besondere Herausforderung dabei ist, dass das FORM Werk über den Bau von Werkzeugen hinaus auch als Servicecenter für die Gießerei betrieben wird. „Es ist eine sehr flexible Arbeit“, meint Dieter Forstner, Werkzeugbauleiter bei Föhl. „Wenn ein Werkzeug in der Produktion ausfällt, muss es schnell repariert werden können.“

Dieser Anforderung ist die Lösung von GF Machining Solutions gewachsen, denn ein neuer Auftrag kann mit höchster Priorität in den laufenden Fertigungsprozess eingeschleust werden. Nachdem er abgeschlossen ist, läuft der vorherige Auftrag automatisch weiter. So kann die Anlage trotz der Flexibilitätsanforderungen automatisiert laufen. Und dies hat entscheidende Vorteile: „Wir haben mehr Laufzeit mit weniger personellem Aufwand“, erklärt Dieter Forstner. „Zudem ist die Qualität immer gleich. Solange die Anlage richtig bestückt ist, haben Fehler, die von Menschen gemacht werden, keine Auswirkung“, fügt Ulrich Schwab hinzu.

Ein weiterer Aspekt der Automatisierung ist die Einbindung der Messmaschine von Zeiss. „Während des Planungsprozesses stellte sich die Frage: Ist Messen überhaupt notwendig? Wie viele Teile entsprechen denn nachher nicht den Anforderungen, jetzt da wir nachmessen?“, erinnert sich Josip Ljubas. Dieter Forstner ist sich sicher: „Messen ist das A und O.“ Deshalb wurde die Messmaschine in die Zelle eingebunden. „Durch das automatisierte Messen habe ich kürzere Wege und eine höhere Prozesssicherheit. Für uns ist es daher einfach wichtig bei der Qualitätskontrolle. Ein Mitarbeiter kann mal ein Plus statt eines Minus eingeben. Das kann passieren, doch unsere Qualität muss ich belegen können. Für diesen Nachweis messen wir nach. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dabei zählt vor allem die Sicherheit, zumal uns das automatisierte Messen gar nicht aufhält“, erläutert er weiter.

Die Rechnung der Automatisierung scheint jedenfalls aufzugehen. „Wir haben zwischen September 2017 und Mai 2018 unsere gesetzten Ziele erreicht. Diesen Posten hätten wir sonst eins zu eins extern vergeben, plus Aufschlag für den Gewinn.“ Besonders beeindruckend dabei ist, dass diese Zahlen bei aktuell 35–40 Prozent Auslastung erreicht werden. „Wir beschönigen da nichts“, meint Thomas Herper, Leiter der Entwicklung. „Wir haben also auch noch Luft nach oben.

Heißkanaltechnik für Zinkdruckguss

Innovation wurde bei Föhl schon immer großgeschrieben. So gilt das Werk in Michelau schon heute als eine der modernsten Druckgießereien Europas. Diese Entwicklung wird konsequent weitergetrieben. Föhl arbeitet unter anderem bereits seit 2011 an einer neuartigen Gusstechnologie: Die aus dem Kunststoffspritzguss bekannte Heißkanaltechnik wird im Zinkdruckguss eingesetzt. Dabei werden die Düsen direkt auf das Bauteil gesetzt. Eine Entfernung des Angusses ist so nicht mehr nötig.

„Das Ziel muss es sein, die Anzahl der Teile zu verdoppeln, aber auf der gleichen Maschine zu bleiben. Und das gelingt uns mit dieser Technologie“, erklärt Thomas Herper. „Luft ist der Feind des Gießers. Dadurch, dass wir Giesslauf und Anschnitt auf ein Minimum reduzieren bzw. komplett wegfallen lassen, kommt weniger Luft in unsere Form.“ Dadurch können z. B. Einschlüsse, die Schwachstellen verursachen, vermieden werden. Und auch die Umwelt gewinnt: „Wir sparen Energie ein und wir sparen Kreislaufmaterial durch den Wegfall der Angüsse ein“, erläutert er weiter.

Durch das neue FORM Werk können diese Werkzeuge nun intern gefertigt werden. Dies beschleunigt nicht nur die Fertigung von Prototypen, es schützt auch das über Jahre erarbeitete Know-how. Die Zukunft dieser Technik ist vielversprechend: „Bei 40 Prozent unserer Neuaufträge verwenden wir bereits diese für Gross-Serien bestimmte Heisskanal-Technologie,“ bilanziert Thomas Herper.

Die Mikron MILL S 600 U leistet auch bei Graphit saubere Arbeit

Dieter Forstner, Werkzeugbauleiter, und Thomas Herper, Leiter der Entwicklung vor der Fünf-Achs-Fräsmaschine vom Typ Mikron MILL S 600 U.

Eine technische Besonderheit des neuen FORM Werks ist die Fertigung der Elektroden der Senkerodiermaschine aus Graphit. „Von Kupfer- auf Graphitelektroden umzustellen war ein Riesenschritt für uns“, erklärt Dieter Forstner. Ermöglicht wird dies durch die Mikron MILL S 600 U, die sowohl Stahl und Kupfer als auch Graphit nass fräst und damit vielseitig einsetzbar ist. „Ein entscheidender Punkt war die Nassbearbeitung von Graphit. Graphit ist zwar eine feine Sache, aber er produziert einfach Staub.“ Die Lösung von GF gewährleistet, dass dieser Staub nicht etwa in der Bearbeitungszelle landet, sondern durch Flüssigkeit aufgenommen und aus der Maschine gefiltert wird.

Mutige Schritte für gemeinsamen Erfolg

Um die Entscheidung für das FORM Werk zu treffen, hat sich Föhl etwa ein Jahr Zeit gelassen. In dieser Zeit wurden viele Aspekte betrachtet. „Wir haben uns da auch keinen Druck gemacht. Es waren drei Mitbewerber im Rennen und auch diese waren alle stark. Alle im Team haben damals eine Pro-Kontra-Liste erstellt. Dabei war nicht nur die Nähe zu GF ein wichtiger Faktor“, meint Thomas Herper.

„Wir haben verschiedene Szenarien durchgespielt, von einzelnen automatisierten Anlagen über jeweils zwei verbundene Anlagen hin zu der jetzt hier umgesetzten Komplettlösung“, erläutert Josip Ljubas weiter. Föhl hat an dieser Stelle Mut bewiesen: „Dadurch, dass wir sowieso 20 Jahre alte Anlagen ersetzen und viel Neues lernen mussten, war die Umstellung zur Vollautomatisierung für uns ähnlich aufwendig wie der Schritt zur Teilautomatisierung gewesen wäre“, erklärt Dieter Forstner. „Daher haben wir dann gleich den großen Schritt zur Komplettlösung gewagt“.

„Zu Beginn war bei uns durchaus eine Skepsis vorhanden, die aber mittlerweile einer Aufbruchstimmung gewichen ist“, meint auch Thomas Herper. „Man muss immer bedenken, wo wir herkommen. Wir hatten davor 10 Jahre lang keine neuen Werkzeuge gebaut und haben nun dieses System.“

Überzeugen konnte auch die qualitativ hochwertige Konstruktion der Mikron MILL S 600 U mit Linearantrieben und die zu den Anforderungen passenden Verfahrwegen gepaart mit der Möglichkeit, Stahl, Kupfer und Graphit auf einer Maschine zu fräsen. Obwohl diese Lösung relativ neu auf dem Markt war, war auf Anhieb klar, dass dies „die Lösung“ für den automatisierten Mischbetrieb war. Nur so war es möglich, ohne manuellen Eingriff zwischen der Nass- und Trockenbearbeitung zu wechseln.

Diese beiden Geräte werden für das Reinigen des Kühlschmiermittels verwendet. Dabei ist die Anlage rechts eine Filterkartusche, die den Graphitstaub herausfiltert und so das Graphitnassfräsen ermöglicht.

Ein weiterer Grund für die Entscheidung für GF war, dass Maschinen, Automation und Spannmittel aus einer Hand kommen. Dadurch konnte der Umstellprozess sicher durchgeführt werden. „Und auch die Einbindung der Messmaschine war bei dieser Lösung durch die Reichweite des TRANSFORMERs nur bei GF gegeben“, ergänzt Josip Ljubas. Überzeugt hat auch die Skalierbarkeit des Systems: „Ein Grund für den TRANSFORMER war, dass wir, sollten in der Zukunft größere Kapazitäten notwendig werden, ihn einfach auf Schienen setzen können, um mehr Anlagen dazuzuschalten“, erinnert sich Ulrich Schwab.

Der vielleicht wichtigste Aspekt bei einer Umstellung von solchem Ausmaß ist das Vertrauen zwischen den Partnern und die Betreuung. „Ich weiß nicht, ob wir Premiumkunde sind, aber die Betreuung war außerordentlich gut. Dadurch konnten wir immer direkt auf Fehler reagieren,“ erklärt Dieter Forstner begeistert. „Wir sind immer noch in diesem Umstellungsprozess, aber wir sind schon weit gekommen. Momentan sind wir daran, rConnect weiter auszubauen. Mit dem rConnect Modul Live Remote Assistance können wir unsere Maschinen im Falle einer Störung mit GF verbinden. Die Fehlersuche läuft online und vereinfacht den Prozess erheblich. Das hat uns schon bei der Einführung sehr unterstützt. Für mich war der Prozess im Allgemeinen sehr positiv, und auch meine Jungs sind sehr zufrieden.“

Nach diesem großen Schritt ist Föhl nun bereit für eine Zukunft mit Werkzeugen aus eigener Herstellung – ein schöneres Geschenk zum 60. Jubiläum der Firma in diesem Jahr könnte es kaum geben.

 

Kontakt:

www.gfms.com