Grenzen gemeinsam überwinden

Serie: Trends bei Werkzeugmaschinen und Präzisionswerkzeugen – Folge 4

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Bei der digitalen Vernetzung der Produktion sind im Fertigungsbereich nicht nur die Hersteller von Werkzeugmaschinen gefordert. Vielmehr sind sie darauf angewiesen, dass ihre Komponentenlieferanten „mitspielen“. Werkzeugmaschinenbauer wünschen sich vor allem offene, standardisierte Schnittstellen. Wie weit sie und ihre Zulieferer auf diesem Weg sind, erläutert Dr. Alexander Broos, Geschäftsführer Technik und Forschung und Geschäftsführer des VDW-Forschungsinstituts (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e. V.), im Interview. Das Forschungsinstitut wird auf der kommenden AMB auf dem VDW-Stand (Halle 5, Stand A12) über interessante Projekte und die Möglichkeiten industrieller Gemeinschaftsforschung berichten. Dort wird es auch Neues zur Nachhaltigkeitsinitiative „Blue Competence“ geben. Außerdem wird die VDW-Nachwuchsstiftung wieder mit der Jugend-sonderschau „Deine Chance im Maschinenbau” vertreten sein.

Dr. Alexander Broos, Geschäftsführer Technik und Forschung und Geschäftsführer des VDW-Forschungsinstituts

Herr Dr. Broos, die Werkzeugmaschine der Zukunft wird vielfältig vernetzt sein. Die Grundlage hierfür bilden auch Daten aus der Maschine selbst. Damit sind die Komponentenhersteller gefordert. Wie „intelligent“ sind diese Komponenten bereits heute?

Im Zusammenhang mit Intelligenz von Komponenten sollte man zwischen passiven und aktiven Komponenten unterscheiden. Passive Komponenten können nicht durch aktives Gegensteuern auf äußere Einflüsse reagieren. Deshalb beschränkt sich die Intelligenz hier auf verbesserte Diagnose oder Sensorik. Anders aktive Komponenten enthalten in der Regel eine Aktorik. Hier sind selbstlernende oder selbststeuernde Systeme denkbar, die sich selbst vernetzen und ohne übergeordnete Steuerungsinstanz Zustandsdaten austauschen. Von industrieller Anwendungsreife sind viele Systeme aber noch weit entfernt.

Die Werkzeugmaschinenindustrie als mittelständisch geprägte Branche ist dabei auch auf ihre Zulieferer angewiesen. Sie müssen Lösungen anbieten, die zuverlässig sind und sich einfach implementieren und bedienen lassen. Da solche Komponenten teurer als erprobte „dumme“ Bauteile sein dürften, muss der Mehrpreis durch einen direkten Mehrwert gerechtfertigt werden. Sonst werden sie sich in der Kaufentscheidung nicht durchsetzen. Selbstverständlich wird es künftig noch den Effekt des „Haben Wollens” bei den Anwendern geben, der zum Beispiel aus alltäglichen Erfahrungen mit Smartphones oder Tablets resultiert. Die Schlüsselfrage bleibt jedoch immer, ob sich die Neuerungen als robust für den industriellen Einsatz bewähren. Die Praxis scheitert oft an Detailfragen, die in der Gesamtvision leider untergehen: Kann eine Maschine jahrelang ohne Updates betrieben werden? Wie sicher sind die Daten? Wer haftet für Gefährdungen durch selbstvernetzte Systeme, wenn kein menschlicher Einfluss mehr gewünscht oder möglich ist?

Daten müssen nicht nur erfasst, sondern auch weitergegeben werden. Um Komponenten austauschbarer machen zu können, müssen auch die Daten-schnittstellen entsprechend universell sein. Wie unterstützt der VDW dies?

Auch hier befindet sich die Branche in einer Sandwichposition zwischen Zulieferern, die natürlich proprietäre Systeme bevorzugen, und Anwendern, die heute teilweise schon die Bedienung von Maschinen per Tablet-Computer fordern. Der VDW bemüht sich aktuell darum, einen Branchenstandard für eine offene Schnittstelle zwischen Steuerung und Benutzeroberfläche zu schaffen, damit nicht jeder Sonderwunsch von Kunden im schlimmsten Fall in einer elektro- und steuerungstechnischen Neukonstruktion der Maschine endet. Außerdem könnten individualisierte Steuerungsoberflächen dann wieder ein Differenzierungsmerkmal zwischen Wettbewerbern sein. Auch in der Kommunikation zwischen Maschine und Peripherie, wie Robotern oder Handlingsystemen, bis hin zu Leitrechnersystemen, versucht der VDW aktiv auf möglichst durchgehende, offen spezifizierte Schnittstellen hinzuwirken. Leider haben gerade große Anwender hier oft eigene Vorstellungen. Deren bereits bestehende Infrastruktur lässt häufig auch keine großen Veränderungen zu. Im Kern zählt dann wieder die Flexibilität der einzelnen Maschinenhersteller, die ja traditionell die Stärke des deutschen Werkzeugmaschinenbaus ist.

Welchen Beitrag können Komponentenhersteller darüber hinaus leisten, um Werkzeugmaschinen produktiver, präziser und trotzdem flexibler zu machen?

Wir wünschen uns hier immer ein offenes Ohr, um auch individuelle oder ausgefallene Kundenwünsche möglich zu machen. Deutsche Werkzeugmaschinen sind auf dem Weltmarkt begehrt, obwohl sie teuer sind. Dafür erhält der Kunde jedoch immer High-End-Maschinen, die bis an die Grenzen des technisch Machbaren gehen und dennoch extrem hohe Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Dass Flexibilität und Innovationskraft das Markenzeichen der Branche sind, funktioniert nur, wenn die gesamte Lieferkette im Hintergrund mitzieht. Glücklicherweise sind wir hier in Deutschland mit unseren traditionellen Lieferantennetzwerken hervorragend aufgestellt, wie beispielsweise die jüngste MIT-Studie zum Thema Produktion aufzeigt. Unsere Position werden wir aber nur halten können, wenn wir unsere Grenzen gemeinsam überwinden.

Kontakt:

www.messe-stuttgart.de