ISCAR – Ein Vollsortimenter mit viel Potenzial

Interview mit Hans-Jürgen Büchner, Geschäftsführer der ISCAR Germany GmbH, in Ettlingen

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ZT Herr Büchner, die Wurzeln von ISCAR liegen in Israel. Würden Sie bitte in kurzer Form etwas zur Historie und Struktur des Unternehmens sagen.
Hans-Jürgen Büchner Unser Unternehmen wurde 1952 in Israel gegründet, das heißt vor 62 Jahren. Angefangen hat alles in einer Wellblech-Garage, in welcher der in Deutschland geborene Stef Wertheimer gelötete Meisel produzierte. Zur Verwunderung vieler baute Herr Wertheimer im Jahre 1983, in einer sehr rar besiedelten Steinwüste, eine Fertigung auf. Mit dem neuen Werk begann auch das Zeitalter des Abstechens bzw. der Abstechwerkzeuge, welche die Basis für den heute weltweiten Erfolg darstellten. Die innovativen Abstechwerkzeuge brachten enorme Einsparungen für so manche Unternehmen und gleichermaßen den Durchbruch für Iscar.
Ein weiterer Meilenstein war 1991 der Einstieg in die Produktion von Fräswerkzeugen. In diesem Segment generieren wir in Deutschland  28 % des Gesamtumsatzes, weltweit sogar über 30 %.
Ein nächster gravierender Schritt des Unternehmens folgte 1999 mit der Herstellung von Bohrwerkzeugen. Dabei wurde nicht ausschließlich auf Wendeplattenbohrer gesetzt, sondern konnte mit unserem Wechselkopf-Bohrsystem – einer Erfindung von ISCAR – schnell 15 % des Gesamtumsatzes erzielt werden.
Seit 2007 sind wir zudem im Bereich des Drehens erfolgreich. Vor allem im Bereich Spanformer und Beschichtungen wurde viel investiert und daher ist ISCAR heute auch in diesem Segment absolut wettbewerbsfähig.
Wenn man den Anspruch hat, ein Vollsortimenter zu sein, muss man alle diese  Bereiche bedienen. Diesen Anspruch haben wir!
ZT Welche Position bezieht die  deutsche Niederlassung in diesem international operierenden Unternehmen?
Hans-Jürgen Büchner Wir sind die zweitgrößte Niederlassung ISCARs weltweit, was die Anzahl der Mitarbeiter und den Umsatz angeht. Ich würde sogar sagen, dass wir von allen Niederlassungen die höchste Aufmerksamkeit in unserem Headquarter in Israel genießen, gerade wenn es darum geht, Produkte neu oder weiterzuentwickeln. Deutschland ist das Land der Tüftler und Bastler und von hier kommen ganz eindeutig die größten Innovationsschübe. Wenn wir Anregungen und Vorschläge einbringen, genießen diese in Israel höchste Priorität. Unsere Kollegen in Israel sind sehr wachsam was die Marktentwicklung in Deutschland betrifft. Sie haben schon lange erkannt, daß die größten Innovationen nach wie vor aus Deutschland kommen. Deutschland ist der Referenzmarkt. Was in Deutschland funktioniert, hat auch anderswo zu funktionieren.
ZT Und wie ist die Zusammenarbeit mit Ihren Kollegen in Israel?
Hans-Jürgen Büchner In erster Linie haben wir gegenseitig einen sehr offenen, freundlichen und respektvollen Umgang miteinander. Es herrscht ein reger Austausch und es kommt oftmals vor, dass israelische Kolleginnen und Kollegen bei uns in Ettlingen oder umgekehrt unsere Mitarbeiter im Headquarter in Tefen sind. Man kann schon sagen, daß man sich gegenseitig inspiriert und unterstützt. Aber fragen Sie doch unsere Frau Totola, die gerade für einige Monate in Israel war.
ZT Dann gebe ich die Frage weiter. Frau Totola, wie würden Sie die Menschen und die Mentalität in Israel beschreiben?
Helen Totola Es ist tatsächlich so. Die Menschen dort sind sehr herzlich und partnerschaftlich. Darüber hinaus arbeiten die Kollegen sehr engagiert und schnell und sind dabei sehr genau. Ich habe dort viel Wärme erfahren, neue Freunde gefunden und eine Menge an Wissen  über das Unternehmen ISCAR dazu gewonnen.

Anmerkung der Red.: Frau Totola verbrachte 2,5 Monate im Headquarter von ISCAR in Israel, um in verschiedenen Unternehmensbereichen Produkte, Unternehmensprozesse und Menschen kennenzulernen.

ZT Produziert ISCAR hier am Standort Ettlingen bzw. was ist das Kerngeschäft hier in Deutschland?
Hans-Jürgen Büchner In Deutschland wird ca. 75-80 % des Umsatzes mit Katalogware erzielt. Der Rest  bezieht sich auf Sonderwerkzeuge gemäß Kundenwunsch.
Weshalb ist diese Produktionsstätte in Deutschland überhaupt entstanden? Mit   der Auswahl der hier produzierten Produkte wurde uns ermöglicht, näher an den deutschen Kunden heranzurücken. Gerade in Bezug auf Umarbeit, Nacharbeit und die sogenannten „Schnellschüsse“ sollte der lange Weg zwischen Deutschland und Israel ausgeschlossen werden. Dies bedeutet, dass wir heute in der Lage sind, Modifizierungen, Neufertigungen oder Nacharbeiten sozusagen über Nacht umzusetzen. Wir müssen heute Kapazitäten freihalten für  Aufträge mit extrem kurzen Lieferzeiten. Auch unsere Kunden müssen hin und wieder kurzfristig auf die Wünsche ihrer Kunden eingehen. Dementsprechend sollten auch wir sehr schnell reagieren können.
ZT Heißt das, die Produktion in Deutschland ist vor allem für die Herstellung von Sonderwerkzeugen und Service sehr wichtig?
Hans-Jürgen Büchner Wie bereits erwähnt, ist die große Entfernung zu unserem Stammhaus in Israel ein wenig nachteilig. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, unsere Produktion in Ettlingen weiter auszubauen. Wenn ich sehe, welche Art von Sonderwerkzeugen in unserer Produktion gefertigt werden, muss man mittlerweile schon zwischen Sonderwerkzeugen und Sonderwerkzeugen unterschiedlicher Kategorien abgrenzen. Die Wünsche unserer Kunden sind häufig recht komplex, sodass wir hier oft von „Sonderwerkzeugen hoch zwei“ sprechen. Die umfangreichen Anforderungen stellen für unsere Konstrukteure und für die Produktion meist eine große Herausforderung dar. Und hier wird die Notwendigkeit bzw. Wichtigkeit unseres Standortes in Deutschland deutlich. Wir haben hier direkten Einfluss auf die Fertigungsprozesse und Lieferzeiten, sowie kurze Wege zu unseren Kunden. Und genau in diesem Bereich sehe ich die Argumente für einen Ausbau unseres Standortes in Deutschland, da der Anteil an Sonderwerkzeugen deutlich steigen wird.
ZT Haben Sie bzw. ISCAR Pläne für Investitionen oder Erweiterungen?
Hans-Jürgen Büchner Wir haben in der Nachbarschaft ein Grundstück samt Gebäudetrackt mit einer Gesamtfläche von 16.000 m² erworben. Dieses wird in 2015 umgebaut und erweitert schließlich auch deutlich unsere Kapazitäten. In jedem Fall ist dies eine Investition in die Zukunft und den Standort.
ZT Sie selbst sind seit vielen Jahren Geschäftsführer der ISCAR Germany
GmbH und kennen die Branche und das Umfeld bestens. Wie beurteilen Sie
die Marktsituation, bezogen auf die Werkzeugbranche?
Hans-Jürgen Büchner Was die Branche angeht, sehe ich nach wie vor eine stabile Marktentwicklung, auch wenn äußere Einflüsse derzeit auf die Stimmung drücken. Zwar hat sich die Automobilindustrie nach dem Hype der letzten Jahre wieder auf einem hohen Niveau normalisiert, doch dafür sehen wir einen deutlichen Aufwärtstrend im allgemeinen Maschinenbau. Im Gegenzug ist der Energiesektor hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Als Zukunftsmarkt sehe ich vor allem die Luft- und Raumfahrt. Die Flugzeughersteller sind ausgebucht und neue Technologien sind mehr denn je gefragt. .
Aber gerade die jüngste „Großwetterlage“ zeigt einmal mehr, wie abhängig die deutsche Wirtschaft vom Export ist und selbst ein stabiler Binnenmarkt  reicht nur bedingt aus, um negative Einflüsse auf den Export zu kompensieren.
ZT Wie hat für ISCAR das Jahr 2014 begonnen?
Hans-Jürgen Büchner Momentan  wachsen wir zweistellig gegenüber 2011, was für fast jeden Werkzeughersteller das beste Jahr seit seinem Bestehen war. Für uns verlief  das erste Halbjahr sehr positiv. Insgesamt sind wir zu diesem Zeitpunkt über unserem ambitionierten Plan für 2014.
ZT Und wie sind Ihre Ziele für die Zukunft?
Hans-Jürgen Büchner Diese Frage kann ich sehr einfach beantworten. ISCAR ist grundsätzlich auf Wachstum ausgelegt, ob weltweit oder speziell in Deutschland. Wir haben den Anspruch, schneller zu wachsen als der Markt.  Wir sehen uns grundsätzlich in der Marktposition des Jägers und nicht des Gejagten. Unser Unternehmen ist weltweit die Nr. 2 und in Deutschland unter den ersten 10. Wir wollen Marktanteile gewinnen und weltweit die Nr.1 werden. Was vor allem entscheidend ist – unsere Mitarbeiter wissen das und identifizieren sich damit.
ZT Um weltweit die Nr. 1 zu sein, bedarf es einer breiten Produktpalette. Verfügt ISCAR zu diesem Zeitpunkt schon über das Potenzial, die Marktführerschaft zu übernehmen?
Hans-Jürgen Büchner Wir haben definitiv das Potenzial dazu. Es gibt nichts mehr bei ISCAR, was unser Vertrieb nicht zur Verfügung stellen kann. Der Kunde kann jede Nische anfragen, weil wir es einfach haben. Es sind alle großen Felder abgedeckt. Im Stechen sind wir ohnehin eine Hausnummer und sehen uns in diesem Bereich bereits als Nr. 1 am Markt. Und auch im Bereich Drehen sind wir sehr gut aufgestellt. Im Segment Fräsen haben wir inzwischen die größte Produktvielfalt. Wobei sowohl im Drehen als auch im Fräsen noch sehr viel Potenzial steckt. Im Bereich Fräsen möchten wir unseren Umsatz in Deutschland kurzfristig von 28 auf 32% vom Gesamtumsatz steigern. Im Bereich Vollhartmetall-Fräsen deckt unsere Produktpalette bereits 90 % des Marktbedarfes ab. Im  Vollhartmetall-Bohren müssen wir noch  im Standardbereich zulegen – Hier ist unsere Produktpalette noch nicht in einem Maß ausgereift, dass wir mit allen Spezialisten in den Wettbewerb treten können.
ZT Könnte man sagen, Sie sehen Iscar als Vollsortimenter mit viel Potenzial?
Hans-Jürgen Büchner Das wollte ich Ihnen so suggerieren. Wir können mit unserem Portfolio alle Anforderungen abdecken. Dazu kommt, dass wir das Geschäft der Erstausrüstung von Maschinen deutlich ausgebaut haben. Und dazu benötigt man ein volles Sortiment.
ZT Die Anforderungen an Werkzeughersteller gehen inzwischen weit über das reine Werkzeug hinaus. Service und zusätzliche Dienstleistungen sind mehr denn je gefragt. Was macht ISCAR diesbezüglich?
Hans-Jürgen Büchner Wir haben in den letzten drei Jahren 12 Prozess-Ingenieure eingestellt. Das sagt meiner Meinung nach schon sehr viel aus. Wir können heute alle Bereiche des In-House Engineerings abdecken und haben uns ein sehr großes Know-how angeeignet. Wie bereits erwähnt, werden die Anforderungen durch den Markt immer komplexer. Unser gut ausgestattetes Technologiezentrum in Ettlingen ist sehr gut ausgelastet und es wird häufig für Versuche zu verschiedensten Anwendungen genutzt, um die optimale Herstellungsmethode zu finden. Beispielsweise hatten wir zuletzt 39 Motorblöcke vor Ort, um  die Bearbeitung eines Prozesses zu optimieren.
Die Wünsche und Anforderungen sind in diesem Bereich deutlich gestiegen.
Ein weiterer Punkt betrifft den Bereich Schulungen. Wir veranstalten das ganze Jahr über Seminare zu den verschiedensten Themen hier in Ettlingen, in Israel und auch vor Ort bei unseren Kunden.
Dazu kommen natürlich auch Hilfsmittel wie unser Werkzeug-Konfigurator "ITA", sowie diverse Apps für Smartphones und Tabletts.
Doch ich möchte nochmals betonen, dass der direkte Kontakt mit unseren Kunden und das gemeinsame Erarbeiten von effektiven Lösungen für ISCAR oberste Priorität hat
ZT Was steht bei Iscar in diesem Jahr noch an?
Hans-Jürgen Büchner Wir  werden am 11.9. eine Pressekonferenz abhalten und  wie üblich als Aussteller auf der AMB vertreten sein.
Ansonsten heißt es arbeiten, arbeiten um die selbst gesteckten Ziele zu erreichen.
ZT Vielen Dank für das Gespräch.