Erstes Fraunhofer-Leitprojekt erfolgreich abgeschlossen

Dieser Abschluss ist eigentlich ein Anfang. Denn das gerade zu Ende gegangene Fraunhofer-Leitprojekt E³-Produktion hat zwischen 2013 und Anfang 2017 den Weg in die industrielle Produktion der Zukunft geebnet. Die Ergebnisse präsentierten die Wissenschaftler jetzt auf dem 5. Kongress Ressourceneffiziente Produktion in Leipzig.

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»Die Zukunft der Produktion liegt in der Vernetzung. Sie muss interdisziplinär angegangen werden.«, sagt Prof. Matthias Putz, Hauptverantwortlicher des Fraunhofer-Leitprojektes

Es ist selten, dass die Leiter von vier Fraunhofer-Instituten und der Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Reimund Neugebauer, zusammen auf einem Kongress auftreten. Wenn die Forscher in ihren vollen Terminkalendern ein gemeinsames Zeitfenster finden, geht es um Wegweisendes, um Visionäres. In diesem Fall um den erfolgreichen Abschluss des Fraunhofer-Leitprojektes E³-Produktion, Anfang März auf dem 5. Kongress Ressourceneffiziente Produktion im Congress Center Leipzig CCL.

2013 hatte die Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) unter Federführung des Chemnitzer Fraunhofer-Institutes für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU dieses erste Leitprojekt der FhG überhaupt gestartet. 13 Institute haben darin ihre Kräfte gebündelt, um die Frage zu beantworten: Wie kann industrielle Produktion erfolgreich funktionieren in einer Zeit zunehmender Umwelt- und Klimaschutzbemühungen, steigender Rohstoffknappheit und des demographischen Wandels? Oder kürzer: Wie lässt sich maximale Wertschöpfung bei minimalem Ressourceneinsatz schaffen?

»Unsere Antwort ist das E³-Konzept«, sagt Professor Matthias Putz, Institutsleiter des Fraunhofer IWU und Gesamtverantwortlicher für das Leitprojekt. »Die drei E stehen dabei für Effiziente Technologien und Maschinen, Energieoptimierte Fabriken und den Erfolgsgaranten Mensch, der in Produktion der Zukunft eine veränderte Rolle spielen wird. Wesentlich ist dabei, dass die einzelnen Komponenten nicht unabhängig betrachtet wurden, sondern dass Synergien zwischen ihnen im Vordergrund der Forschungsarbeit standen.« In diesem Sinne nahmen die 13 beteiligten Institute 16 Teilprojekte in Angriff.

Effiziente Technologien und Prozesse

Ein Kerngedanke der technologisch orientierten Projekte, des ersten »E«, bestand darin, Prozessschritte in der Fertigung einzusparen. Denn der Wegfall von Herstellungsschritten bedeutet gleichzeitig die Einsparung von Energie und anderen Ressourcen. Eines der zentralen Schlagworte der E³-Produktion wurde deshalb die »uktrakurze Prozesskette«. Doch wann ist eine Prozesskette »ultrakurz« zu nennen?

Professor Fritz Klocke, Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik IPT in Aachen, lieferte auf dem Leipziger Kongress Antworten. Am Beispiel der Produktion verschiedener Bauteile aus dem Automobil-, Maschinen und Flugzeugbau entwickelten er und seine Kollegen von den beteiligten Fraunhofer-Instituten eine Bewertungssoftware für Prozessketten. Mit ihr können Unternehmen Stellschrauben finden, um ihren Ressourcenverbrauch hinsichtlich Material-, Energie, Zeitaufwänden und Kosten zu senken. »Überrascht waren wir, dass bei der Herstellung von Flugzeug-Turbinenschaufeln gar nicht wie vermutet der Stromverbrauch zu Buche schlägt«, so Prof. Klocke. »Es sind vielmehr die Materialkosten.«

Energieoptimierte Fabrik

Professor Michael Schenk, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung, nahm in seinem Vortrag die zweite Dimension des E³-Konzeptes in den Blick: die effiziente, energieoptimierte Fabrik. »Unternehmen müssen in Bezug auf ihren Energieverbrauch flexibel werden«, formuliert Professor Schenk eine zentrale Erkenntnis aus über drei Jahren Forschungsarbeit. Denn die gesamte industrielle Produktion muss sich im Zuge der Energiewende auf die Versorgung aus regenerativen Quellen umstellen. Da beispielsweise Wind- und Solarstrom natürlichen Schwankungen unterliegen, ist Intelligentes Energiemanagement besonders wichtig.

Um dieses zu realisieren, schufen die Fraunhofer-Forscher zunächst Methoden, um Produktionsstätten, deren technische Ausrüstung und Produktionsprozesse im Hinblick auf ihren Verbräuche und Effizienz zu bewerten. Sie sind zusammengefasst in einem Leitfaden, mit dessen Hilfe sich Fabriken nun energieoptimiert neu bauen oder umrüsten lassen. Zusätzlich entwickelten die Wissenschaftler ein IT-basiertes Managementsystem, mit dessen Hilfe sich Energieangebot und –verbrauch Vorhersagen und ins Gleichgewicht bringen lassen. Auf diese Weise lassen sich Fabriken nun bis zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen versorgen. Und das bedeutet auch bis zu 100 Prozent CO2-Einsparung, während die Versorgungskosten gleichzeitig um bis zu ein Fünftel sinken.

Erfolgsgarant Mensch

Das dritte »E«, die Rolle des Menschen in der Produktion der Zukunft, war Thema des Vortrages von Professor Michael ten Hompel. Der Geschäftsführer des Fraunhofer-Institutes für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund sprach über den Mitarbeiter als Koordinator und Entscheider in der digitalisierten Produktion. Dem oft befürchteten Szenario menschenleerer Fabriken trat er dabei entschieden entgegen: »Es ist nicht vorgegeben, dass wir den Menschen wegrationalisieren. Wir wollen und können selbst gestalten, und wir wollen unsere digitale Souveränität behalten.«

Der Schlüssel dazu liege in der »Social Networked Industry«. Gemeint ist damit eine neue Art der intuitiven Interaktion von Mensch und Maschine durch Assistenzsysteme wie sie im E³-Leitprojekt entwickelt wurden, darunter das »Produktionstablet«. Es stellt dem Mitarbeiter die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zur Verfügung und hilft ihm, Entscheidungen zu treffen, falls beispielsweise bei logistischen Problemen die Produktion kurzfristig umgestellt werden muss. Professor ten Hompel denkt allerdings noch einen Schritt weiter. Augenzwinkernd geht er davon aus, dass die Kommunikation mit Maschinen oder in der Lagerlogistik bald noch natürlicher abläuft: »Es wird in Zukunft völlig normal sein, mit einem Regal zu reden.« Dieses könnte dann der Anfrage seines Nutzers entsprechend die benötigten Teile oder Produkte aus seinem Bestand selbstständig zusammenstellen.

Leitprojekte der Fraunhofer-Gesellschaft

Die Fraunhofer-Gesellschaft nutzt interne Förderprogramme als Instrument, um permanent einen technologischen Vorsprung gegenüber dem Stand der Technik aufrechtzuerhalten und diesen für die Märkte verfügbar zu machen. Damit die deutsche Wirtschaft im globalen Wettbewerb ihre Führerschaft erhalten und ausbauen kann, stellt sich Fraunhofer besonderen Herausforderungen der Industrie und entwickelt durch Bündelung ihrer Ressourcen konkrete Lösungen. Dies geschieht in Form von Leitprojekten. Ziel dieser Projekte ist es, mit wissenschaftlich originären Ideen den akuten Forschungsbedarf der deutschen Wirtschaft zu erfüllen. Dabei soll das Fraunhofer-Synergiepotential durch Zusammenführung von Kompetenzen mehrerer Fraunhofer-Institute zur Lösung aktueller Herausforderungen der deutschen Industrie ausgeschöpft werden.

Kontakt:

www.e3-produktion.de

www.e3-fabrik.de