Kollege Roboter hilft an der Werkzeugmaschine

Trends bei Werkzeugmaschinen und Präzisionswerkzeugen

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Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl

Was haben Werkzeugmaschinen mit Google zu tun? Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb IFF in Stuttgart, sieht im Kauf von mittlerweile acht führenden Roboterherstellern ein deutliches Zeichen, dass sich das US-amerikanische Unternehmen das „Internet der Dinge“ als zukünftiges Betätigungsfeld auserkoren hat. Gut möglich, dass demnächst ein Roboter mit Google-Betriebssystem die Werkstücke in die Werkzeugmaschine einlegt und mit ihr kommuniziert. Prof. Bauernhansl äußerte sich im Vorfeld der kommenden AMB, internationale Ausstellung für Metallbearbeitung vom 16. bis 20. September 2014 in Stuttgart, zu dieser und anderen Fragen der Automatisierung im Umfeld des Werkzeugmaschinenbaus.

Jüngere Unternehmenskooperationen signalisieren, dass Werkzeugmaschine und Roboter enger zusammenrücken. Ersetzt irgendwann der Roboter den Werker – oder gleich die ganze Werkzeugmaschine?

Der Mensch wird künftig tatsächlich weniger selbst in die Abläufe eingreifen, sondern vielmehr die Rahmenbedingungen gestalten. Werker profitieren in erster Linie von zaunlos kooperierenden (Leichtbau-) Robotern: Zum Beispiel nehmen sie ihnen schwere Arbeiten ab, Hebehilfen können – im Rahmen von Industrie 4.0 – über das Internet konfiguriert werden. Es gibt Apps, die Maschinen helfen, sich an die Bedürfnisse des einzelnen Mitarbeiters anzupassen. Kurz: Der Mitarbeiter kann bis ins fortgeschrittene Alter hinein produktiv arbeiten, weil er ergonomisch unterstützt wird und er weniger bis gar keinen Verletzungen oder Verschleißerscheinungen mehr ausgesetzt ist. Auch Google spielt als Konkurrent mit. Das Unternehmen hat acht Roboterfirmen gekauft. Das Geschäftsmodell von Google in Bezug auf die Robotik setzt auf das „Internet der Dinge“. Bald werden etwa 50 Milliarden Dinge im Internet miteinander vernetzt sein – ein Vielfaches der Menschen, die jemals in sozialen Netzwerken miteinander kommunizieren könnten. Es wird ein Google-Betriebssystem geben, das auf allen Robotern laufen wird. Das versetzt den Benutzer in die Lage, Softwaredienste von Google und anderen Herstellern zu nutzen, um dem Roboter Fähigkeiten zu geben.

Welches sind die weiteren wesentlichen Trends der Automatisierung rund um die Werkzeugmaschine, was werden wir voraussichtlich dazu in Stuttgart auf der AMB sehen?

Auf der AMB wird sich der aktuelle Trend im Werkzeugmaschinenbau bezüglich einer besseren Effizienz und einer höheren Produktivität fortsetzen. Dies steht natürlich in direkter Verbindung mit der Automatisierung in und um die spanende Werkzeugmaschine. Mit den Lösungen der Vision Industrie 4.0 wird software- und informationstechnisch die mechanische Integration weiterer Bearbeitungstechnologien in der spanenden Werkzeugmaschine unterstützt. Das beste Beispiel hierzu ist die Integration generativer Fertigungsverfahren in Form von Hybridmaschinen, mit denen das Auftragen von Material und die spätere spanende Nachbearbeitung zur kostengünstigen Herstellung beliebiger Formen und Konturen in einer Maschine möglich ist.

Welche erweiterten Möglichkeiten ergeben sich durch die Vernetzung aller am Fertigungsprozess beteiligten Komponenten für die Automatisierung?

Zunächst mal ist die Vernetzung eine Chance, die industrielle Produktion überhaupt in Deutschland zu halten oder auszubauen. Bisher waren (Werkzeug-) Maschinen oder Autos die Domäne unserer Industrie. Um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, werden wir künftig Produkte benötigen, die effizient im Energieverbrauch und ressourcenschonend sind, sowie personalisierte Massenfertigung ermöglichen. Nur sogenannte cyber-physische Systeme, kurz CPS, können das leisten – also Maschinen, Werkzeuge, Werkstücke oder auch Aufträge, die intelligent sind, sprich: miteinander und mit den Menschen kommunizieren können. Dazu gehören unter anderem Roboter, Sensoren oder Datenbanken von Altsystemen. Diese Systeme können physikalische Daten aus Produktions-, Logistik-, Engineering-, Koordinations- und Managementprozessen erfassen. Sie sind in digitalen Netzen untereinander verbunden und nutzen weltweit verfügbare Daten und Dienste. In fast allen Bereichen gibt es mit Industrie 4.0 große Potenziale zur Kosteneinsparung. Bestandskosten können beispielsweise um 30 bis 40 Prozent gesenkt werden, weil man auf Basis von Echtzeitinformationen in der Lage ist, Sicherheitsbestände zu minimieren und vor allem Bestellmengen in der Lieferkette besser steuern kann. Die Lagerhaltungskosten gehen entsprechend nach unten. Vor allem in der Planung und im Management erhöht sich die Produktivität. Die Fehlerrate sinkt. Viele Firmen setzen Industrie 4.0 bereits um und bestätigen, je nach Komplexität des Produktionsfalls, bis zu 50 Prozent Produktivitätszuwachs.

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